Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III. Die Ikonographie der Reliefs

i. TRACHT UND TYPUS

Die Gewänder der Dargestellten und ihre
Aussage

Die Bedeutung von Tracht als sozialem Unter-
scheidungsmerkmal ist ein in der Kulturgeschichte
geläufiges Phänomen. Junge Männer können so von
heranwachsenden Knaben, unverheiratete von verhei-
rateten Frauen, Angehörige verschiedener Gesell-
schaftsschichten voneinander abgesetzt werden. Die
auf den Reliefs dargestellten Männer tragen in der gro-
ßen Mehrheit ein um beide Schultern gelegtes Ge-
wand, das den linken Arm völlig verhüllt und vom
rechten nur die Hand freiläßt. Auf den Halbkörper-
reliefs ist seine Bestimmung auf Grund des kleinen
Bildausschnitts nicht möglich. Die ganzfigurigen Re-
liefs und entsprechende Statuen zeigen jedoch im Ver-
ein mit den antiken Quellen, daß es sich um die Toga
des römischen Bürgers handeln muß, wie im folgen-
den genauer gezeigt werden wird. Für ein Volk, das
sich selbst als gens togata verstand132, und dem später
Augustus das Tragen der Toga auf dem Forum und im
Circus vorschrieb133, war dieses Kleidungsstück von
herausragender Bedeutung und entsprechend ideolo-
gisch befrachtet. P. Zänker hat deshalb hervorgeho-
ben, daß durch die Darstellung der Liberti in der Toga
ihre neue soziale Stellung als römische Bürger betont
und, zusätzlich zur Inschrift, für jedermann verständ-
lich auch durch die Bekleidung verkündet wurde134.
Gerade der weitgehende Verzicht auf andere Attri-
bute, die auf Rang und Vermögen des Dargestellten
hinweisen könnten, steigert die Bedeutung, die der
Tracht als kennzeichnendem Merkmal auf den Reliefs
zuzumessen ist. Man wird sich deshalb auch fragen, ob
die unterschiedlichen Gewanddrapierungen bei den
Darstellungen der Frauen ebenfalls spezifische Aussa-
gen beinhalten, oder ob sie nur als mehr oder weniger
zufällige Übernahmen hellenistischer Statuentypen
angesehen werden müssen.

Doch zurück zur Toga135. Über ihren zeichenhaften,
die inhaltliche Interpretation betreffenden Charakter
hinaus, ist sie in der archäologischen Forschung stets
als Hilfsmittel genutzt worden, Statuen und Porträts
gerade in dem hier behandelten Zeitraum zu datieren.

Es ist deshalb notwendig, Form und chronologische
Entwicklung der Toga bis in augusteische Zeit all-
gemein zu untersuchen, um diese Ergebnisse in einem
zweiten Schritt auf die halbfigurigen Reliefs übertra-
gen zu können. Dabei wird sich zeigen, daß nicht nur
die Trageweise je nach Anlaß verschieden sein konnte,
sondern daß die Veränderungen in Form und Größe
der Toga bereits bewußt wahrgenommen und auf den
Reliefs wiederum zeichenhaft eingesetzt wurden.

Statuentypen der Männer

Die unterschiedliche Drapierung der Toga

Aus der Sicht der Kaiserzeit muß es ungewöhnlich
erschienen sein, daß die Toga nicht den rechten
Arm freiließ und darunter die Tunica zeigte, sondern
über beide Schultern gelegt wurde und auch den
rechten Arm in einer engen Schlinge fest umschloß.
M. Bieber hatte sich diesen Blickwinkel zu eigen ge-
macht und deshalb die Gewänder der dargestellten
Männer nicht für Togen, sondern für griechische Män-
tel gehalten136. Die so bekleideten Männer hätten sich
damit demonstrativ als palliati und Griechenfreunde
gezeigt. Bereits K. Polaschek137 hat jedoch auf die an

132 Verg., Aen. I, 282.

133 Suet., Aug. 40.

134 Zänker 1975, 30off.; ders., Augustus und die Macht der Bilder
(1987) 167fr

135 Die Literatur zur Toga ist in jüngster Zeit sehr angewachsen.
Deshalb nur das Wichtigste: Daremberg - Saglio V 1 (1912) 349h.
s. v. Toga; L. M. Wilson, The Roman Toga (1924); RE VI A (1937)
1651fr s. v. Toga (Goethert); Vessberg 177fr.; M. Bieber, ProcAm-
PhilSoc 103, 1959, 374ff. Weitgehend nachgedruckt in: dies.,
Ancient Copies (1977) 129!!.; E. H. Richardson - L. Richardson jr.,
YaleCISt. 19, 1966, 22iff.; G. Hafner, AntPl 9, 1969, 38ff.; L. Bon-
fante Warren, ANRW I 4, 584fr.; Frenz 1977, 6off.; Kleiner 1977,
i42ff.; D. E. E. Kleiner - F. S. Kleiner, BullCom 87, 1980/81,125fr.;
H. Gabelmann, Jdl 100, 1985, 497fr bes. 509fr; H. R. Goette,
Studien zu römischen Togadarstellungen (1989). - Ich danke
H. R. Goette, daß ich vor der Veröffentlichung seiner Dissertation
sowohl das Manuskript als auch die Fahnen einsehen konnte.

136 Bieber a.O.

137 K. Polaschek, Untersuchungen zu griechischen Mantelstatuen
(Diss. Berlin 1968) yH. - Bei Goette 24fr als >Pallium-Typus< be-
zeichnet.

15
 
Annotationen