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Kockel, Valentin [Hrsg.]; Universitätsbibliothek Augsburg [Hrsg.]
Ansicht, Plan, Modell: zur Darstellung antiker Architektur am Beispiel von Pompeji und Herculaneum ; [dieses Heft begleitet die Ausstellung, die vom 27.11. bis zum 16.12.1996 in der Universitätsbibliothek Augsburg stattfindet] — Augsburg, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.28559#0008
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Die von Piranesi betriebene Zweigleisigkeit zwischen sachlicher Dokumentation und
phantastisch übertriebener Vision zeigt sich auch bei den übrigen Künstler des 18. und
beginnenden 19. Jhs. Einerseits bemühen sich Vedutisten wie Giuseppe Vasi verstärkt
um eine sachliche und präzise Darstellung topographischer Situationen, die nicht wie bei
Piranesi ihres Kontextes und ihrer Maßstäblichkeit beraubt werden. Das führt zur ver-
mehrten Nutzung von Zeichenhilfen wie der camera obscura und der von Wollaston 1805
erfundenen camera lucida, deren Verwendung sogar als Garantie für die Authentizität
der Stiche eigens erwähnt wird. Diese Anstrengungen münden letztlich übergangslos in
der frühen dokumentarischen Fotografie aus der Mitte des 19. Jhs.

Die Vedute konnte aber auch andererseits durch sachliche Grundrisse oder Schnitte
auf demselben oder auf begleitenden Blättern ergänzt werden. Gerade diese Verknüp-
fung verschiedener Kategorien führt oft zu ausgesprochen reizvollen Bildkompositionen.
In der Manier von 'Augentäuschern' werden Zettel vermeintlich übereinander auf ein
großes Blatt geheftet. Die Überschneidungen ähneln dabei erstaunlich der Bildober-
fläche moderner Computerprogramme. Auch hier sind wieder Piranesi die verblüffend-
sten Lösungen gelungen. Dahinter steht offenbar das Bemühen, die Kategorien Vitruvs
in einer Gesamtdarstellung der übrigens ausschließlich antiken Objekte zu vereinen.

Offenbar mußte man auf ein Publikum Rücksicht nehmen, das neben der Anschauung
auch meßbare Information verlangte und bereits durch anspruchvolle Architekturpubli-
kationen geprägt war. Vor diesem Hintergrund müssen die Bemühungen um die Archi-
tektur der Vesuvstädte seit der Mitte des 18. Jhs. gesehen werden.

Die Vesuvstädte als Thema der Architekturforschung
(1738-1805)

Mit Desgodets Edifices war die Erforschung der römischen Architektur und ihrer Propor-
tionen auf eine neue Grundlage gestellt worden. Piranesi hatte seit der Mitte des 18.
Jhs. diese Untersuchungen in dem wissenschaftlich orientierten Teil seines Werkes fort-
geführt und um viele bis dahin unvermessene Bauten bereichert. Als bald darauf eine
Kontroverse über die Bedeutung der römischen Architektur im Vergleich zur griechischen
ausbrach, nahm Piranesi entschieden für die römische Seite Partei. Er brachte dabei die
erst kürzlich wieder 'entdeckten' Tempel von Paestum in die Diskussion ein, allerdings
nur in einer postum veröffentlichten Serie von Veduten, die mehr ihre Großartigkeit als
ihre genauen Proportionen und Maße vermittelte. Die griechische Seite wurde vor allem
von dem Franzosen David Le Roy sowie den Engländern James Stewart und Nicholas
Revett vertreten, deren Publikation der antiken Bauten Athens 1758 bzw. 1762 und 1787
er-schienen. In diesen Diskussionen um das wahre Wesen der antiken Architektur hat-
ten die Vesuvstädte keinen Raum. Ihre Architektur hatte im Gegensatz zur Malerei und
den Kleinfunden alle Besucher enttäuscht, da sie weder aus Marmor bestand noch die
erwartete Großartigkeit besaß.
 
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