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Kockel, Valentin [Hrsg.]; Universitätsbibliothek Augsburg [Hrsg.]
Ansicht, Plan, Modell: zur Darstellung antiker Architektur am Beispiel von Pompeji und Herculaneum ; [dieses Heft begleitet die Ausstellung, die vom 27.11. bis zum 16.12.1996 in der Universitätsbibliothek Augsburg stattfindet] — Augsburg, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.28559#0018
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Architekturkopien in originaler Grösse

Die geschätzten Meisterwerke der antiken Skulptur in Gips abzuformen war eine seit
der Renaissance verbreitete Vervielfältigungsmethode. In originaler Größe konnten so
die vorbildlichen Formen der antiken Werke in Ateliers oder Akademien studiert werden.

Für die Architektur verspürte man erst im fortgeschrittenen 18. Jh. das Bedürfnis, die
gerühmten korinthischen Pilasterkapitelle des Pantheons oder Bauglieder anderer Bau-
ten dreidimensional zu reproduzieren. Die Architektur der Vesuvstädte interessierte in
diesem Zusammenhang nicht. So entstand zunächst in Paris eine Sammlung von Abgüs-
sen antiker Kapitelle und Friese. Oft beschränkte sich aber Abformung der oft riesigen
Originale auf markante Ausschnitte, die sich dank ihres ornamentalen Charakters wie-
derholten. Auf diese Weise konnten auch einzelne Maße und Proportionen abgemessen
werden. Andere Bauakademien folgten diesem Beispiel .

Die Architekturstudenten mußten, ähnlich ihren Kollegen an den Kunstakademien, in
den Grundkursen Kapitelle und Ranken abzeichnen. Die Formen antiker Baudekoration
glichen damit in ihrem Wert der Skulptur, wie überhaupt das Detail eher als Skulptur
denn als Architektur verstanden wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das nun-
mehr als verstaubt empfundene Anschaungsmaterial zerstört oder auf Speicher ver-
bannt und fand erst in letzter Zeit wieder Beachtung.

Dreidimensionale Architekturkopien sind dagegen naturgemäß seltener. Im Glaspalast
von Sydenham bei London oder in der Academie des Beaux-Arts in Paris standen

originalgroße Gipsabgüsse der Fassaden
griechischer Tempel. Auf den großen
Komplex klassizistischer Architektur des
sogenannten Greek Revival und seine
mehr oder minder genauen Rückgriffe auf
dorische Tempel kann hier nicht eingegan-
gen werden. Verwiesen sei nur auf die
einzige vollständige und maßgleiche
Kopie des Parthenons, einen Ausstel-
lungspavillon in Nashville/Tennessee, der
zu Beginn des Jahrhunderts entstand.

Im Gegensatz zur Tempelarchitektur konn-
te in Pompeji zum ersten Mal römische Wohnarchitektur studiert werden. Sie wurde von
den Reisenden wegen ihrer bunten Ausmalung meist bewundert, aber als überraschend
bescheiden empfunden. Überlegungen, an Ort und Stelle ein Haus vollständig zu rekon-
struieren und einzurichten wurden jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Erst Ludwig I von
Bayern ließ 1839 das sog. Dioskurenhaus von Friedrich von Gärtner aufmessen und zwi-
schen 1841 und 1850 eine Kopie dieses Baus in Aschaffenburg über dem Main errich-
ten, das sog. Pompejanum. Doch trotz einer weitgehenden, fast sklavisch erscheinenden
Nachahmung besitzt das Pompejanum einen völlig eigenen Charakter. Der
unregelmäßige Umriß des Stadthauses, der durch die anschließenden Häuser des

Abbildung 10

Von der Bauaufnahme zum Entwurf.
Gärtner verwandelt bei gleichem Grundriß
das pompejanische Stadthaus
zu einem Solitär über dem Main.
 
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