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Auch di: ZwrckmLßigk«! di?s«r Baustylrs fü den christlichcn Gottes-
dienst, namennich für den katholischen, kann nicht geläugnet wcrdcn.
Das in diesem Style errichtete Gebäude charakterisict sich von außcn
und von innen auf den ersten Anblick als ein dem Dienste deS
Schöpsers gewidmetes durch eine den übrigen Bauwerken fremdartige,
rrichhaltige und wücdevolle Construction, gefällige Formen, hohe
Thürme, cchabene Fenster und Portale, endlicb durch die Kreuzcsform
im Grundrisse, den halbrunden oder achteckigen Chor in Ost oder in Ost
und West zugleich. Erhält nun die Kirche schon von außcn durch ihre
zweckmäßige Einrichtung eine Art religiöser Wcihe, wie sehr steigcrt
stch diese im Jnnern durch die Gcwölbe, Säulengänge, die Basilikcn-
Hinrichtung, Kuppeln, den erhöhten Chor! Durch die Einrichkung dcr
Kreuzesform entstehcn Eapellen, wo sich jeder, der es wünscht, wenigcr
bemerkt und gestört dem Gockesdienste widmen kann, durch die Capel-
len Räume und passende Stellen sür Alläre, Frescogcmälde, Sralucn
«nd Denkmäler, ducch die Einrichtung von Krypten gcheiligte Orkc
zur Aufbewahrung von Reliquien, stillc Zufluchtsörter in besvnderen
Nölhen.

Daß diese Art von Kirchen eines besondem Grades von Schönheit
fähig, kann nicht bezweifelt werdcn. Echönhcir ist mehr eine Sache
ber Empflndung, als der Beschreibung. Jch würde cs daher vergeblich
irersuchcn, dcm bie Schönheit der Kirchen dieseS Stylcs zu deschreiben,
der ni« eine gesehen. Aber wie man sich immer die Begriffe von schön
denken mag: erhaben, zwcckmäßig, wohlgeordnet, gefällig, anmuthig
vnd mit Liebreiz verdunden, alle diese Vorzüge sind hicr vereint. Das
Erhabene sprichl sich in den Gcwölben, Kuppeln, schlanken Säulen-
stellungen aus, übcr daü Zweckmäßige und Wohlgeordnete war bereils
Rede, das Gefällige, Anmuthige und Liebliche zcigt sich in dem edlen
Anstande, dcr Würde und Zierde, die sich an den meisten dieser Kir-
chrn befinden. Von dec Peterskicche in Rom sagen die ausgezeichnetsten
Künstverständigen, daß sie bei Weilem größer sei, als sie schcine. Vci
einzelnen Kirchen des Styles, wovon wir reden, kommt es nicht seltcn
vor, daß sie größer scheinen, als sie sind. Daß dieses dem Baumeister
ganz besonders zum Ruhme gereicht, darf wohl kaum erwähnt werden.
Als Beleg zu dem Gesagten führe ich dieKirche von Wccden an, die,
wenn man in ihr JnnersteS tritt, bei Weitem größer scheint, als sie
ist. Die Kirche zu Gerrisheim, fast ohne allen Schmuck, alr den der
Gewölbe eines Säulenganges, macht einen großartigen Eindruck. Jch
würde daher die Kirche zu Gerrisheim als ein Mustcr für künstige
Kirchenbauten vorschlagcn, da sie so einfach, so trefflich ist und im
Ganzen m!t weniger Mittcln auszuführen, als jegliche audere. Könnle
man aber mehr Mittel anwenden, so würde ich die Kirchen zu Sin-
zig, zu Werden, zu Neuß als Mustcr empfehlen, die sich durch Groß-
artigkcit und Opulen; hervorthun und namentlich von der Kirche zu
Gtrrisheim unterscheiden, die keine Kuppel, keine Kryptc, nur emcn
Thurm und fehr wenige Verzierung hal. Wollte man aber etwas Zier-
kiches, AusgezeichncteS habcn, dann könnte man die Kirche am Laacher-
See zum Muster nehmen *).

Die Kirche am Laacher-See hat auch noch das für sicb, daß sie durch-
aus im Rundbogenstyl gebaut ist, durch die Einrichlung dcs West-
chores, die Menge von Thürmen einen gan; außcrordentlichcn Eindruck
macht. Das Material würde ich nach verschiedenen Verhältnissen ent-
«edec aus den Mühlsteinbrüchen be! Niedermendig, dem Stenzelberge
im Siebengebirge oder dem Löwenthalerbruche bei Werden entnchmen.
Alle dies« Skeine sind sehr dauerhafc und zierlich. Die Gewolbe jedoch
müßtcn aus Tufstein errichtet werden. Dieser Stein, der zur frühen
Ausbildung deS vollendelcn SkyleS an den rhcinischen Kirchen vielleicht
so viel deigetragen, ist an dec sreien Lufk der Vcrwitterung zu leicht
uusgesetzt, daher es nicht rathsam sein möchte, ein Gebäude, das für
«ine lange Zeit berechnet, damit zu errichlen; für Gewölbe aber ist er
semer Leichtigkeil wegcn sehr geeignet. Alle diese Bruchsteinarten müß,
ren jedoch bearbeitel und keineswegs roh eingesetzt werden. Kirchcn in
Backsteinen sehen nichl gut aus und behalten wegen dcr Unbiegsam-
keit der Form, die dadurch nothwendig wird, immer etwas Stcifes,
Unansehnliches, besonders bei der schlechten Art, womit w:r qewöhnlich
die Ziegel zubereiten. Ganz anderS verfuhren in dieser Beziehung die
Römer, die auch mit Ziegel schwere Gewölbe von großer Dauer und
Kestigkeit aufführen konnten. Die mit Quadersteinen errichtctcn Ge-

*) Die Klrche am Saacher-See wurde von 10S3 bis 1156 erbaut. De Las-
saulx: Ljrchitektonisch-Historische Berichtigungen und Zusätze zu der klein'-
schen Rheinreise. Hübsch, der, mit den Denkmalen des römischen Alter-
thums vertraut, dieselben an Ort und Stelle studirt, drückt sich über die
Lirche amLaacher-See folgender Maßen aus: Jn der höchsten Auebildung
erscheint dcr Rundbogenstyl an der zu Ende des 12. Jahrhunderrs erbau-
ten Kirche der Benedictiner-Abtei Laach unweit Koblenz. Hier stnd die
Pseiler der Schiffe so schlank und so wcit aus einander gestellt, wie in den
spätern Zelten des Spitzbozenstylcs. Die ganze sehr große Kirche, mit 5
Lhürmen, einer Kuppel und cinem Vorhofe, ist nach cinem Planc der
sorgfältigsten Quaderconstruction wie aus Eincm Guffe aufzeführt. Alle
Verzierungen, welche so haufig unbegreifiich plump angctroffcn werden
und die Denkmale dieses Styles eher schändcn als verschönern, sind hier
.mit vorzüzlichcm Geschmacke gedacht und auSgeführt. Jch muß diese Kirche
für die schönste erklären, die ich je gesehen, und wcnn mir auch hierin
aicht Jeder beistimmt, so wird man doch zugeben, daß dieselbe im Rundbo-
genstyle das Höchste ist, wie dies die perikleischen Monumente im grie-
yhischcn. (I>l. Hübsch: 2n welchcm Sryle sollen wir bauen?)

bäude hadcn schon eben dcßhalb ein besseres Aussehen, weil sie mehr
Masscn dacbicten, alS dic kleinern Vacksteinchen, und bei ihrer Be.
trachkung ein stärkercs Gefühl von Festiqkcit, Dsuer und Zweckmäßig-
keit einflößen. Ein sehr grandioses Ansehen erhält cin Gebäude, das
mit Basalten und Quaderstcinen untersetzl ist. Wir habcn in dieser
Beziehung ein sehr interessantes Gebäude qanz in der Nähe an dem
Schlosse zu Kaiserswerth, das durch seine Bauart Lußerst merkwürdig
und in diescr Bcziehung eincs der intcressantesten Denkmale ist, die
es in Dcutschland gibt. Zuverlässig ist das Gebäude ein fränkische«,
das durch scine Dauerhaftigkeit dcn Anfällcn der Sachsen Widerstand
leisten konnte, von Barbarossa zur Sicherung deS Landsriedens mit
neuen Werken versehen worden.

Ein besonderer Vortheil in der Bauart dcs Ucbergangsstyles liegt
endlich in der Förderung des Tcchnischen dcr Baukunst durch die reine
Steinconstruction. Zn vielen Kirchen Jtaliens sinden sich in jener Pe-
riode keine Gewölbe, ja, in einzelnen dcr besten sieht wan in den of-
fenen Dachstuhl hinei'n. Auch in mchren der ältern Kirchen Deutsch-
lands fthlten die Eewölbe. Sic hatten nur flache, hölzerne Decken, und
erst später erhielten fie Gewölbe.

Vielleicht lag in dem Vorhandensein der bölzernen Dccken cin Grund
mit, warum im 11. Jahrhundcrt so vicle Kirchen abbrannten und fast
ganz neu errichtet werden mußten. Die Ersindung und Anwendung
der Kreuzgewölde in den Kirchen war cin hoher Fortschritt in der
Baukunst. Und wenn auf dec einen Sei'te die MLglichkeit, Kirchcn, die
bloß cine flache Holzdccke hatten, mit einem steinernen Gewölbe zu
verschcn ohne wesentliche Veränderung an den Seltenwa'nden, schon
ei'ne große Solidität in der Baukunst voraussetzte, so qebührt dcnnoch
der wirklichcn Errichkung eincs solchen Gcwölbes daS höchste Lob. Sie
konnte ohne Vollendung in der Technik unmöglich bewirkt werden.
Nur eincr solchen Technik war es gestattet, die bewundernswürdige
Werke des Spitzbogenstyles hervorzubringen. Ein Genie brauchte nur
das bereitS Vorhandene aufzufassen, zu gestalten.

Wie aber damals eine genial geleicete Technik Werke hervorbrachte,
die zunächst aus dem Geiste der Zeit hervorqegangen und durch ihn
unterstützt wurden, so wäre es vielleicht möglich, daß bei einer krästi-
gen Regencration Europens, wenn sie übrigens mit den Absichten der
gütigen Fürsehung übereinstimmtc, ebenfafls etwas Neues geschaffen
werden könnte, wovon wir bisher keine Bvrstellung hätken. Möge dicse
Reqeneration bald kommen! Aber ich fürchte, wir sind aus keinem bes-
sern Sloffe als die Völkcr Roms und Griechcnlands, als die Be-
wohner dcs reizenden Kleinasiens; ich fürchte, kein kräftiger germani-
scher Stamm tritt mehr auf dieWeltbühne, Neues zu schaffen an die
Stelle des Entarteten.

Nheimlclie Venkmale in Zeitt'olge.

Da die Beqeisterung für unser größtes vaterländisches Kunstwerk in
allen Kreisen Sinn und Theilnahme für vaterländischc Kunst im AU-
gemeinen verbreitet, so wäre es vielleicht hier an der Zei't und am ge-
lcgcnen Orte, cine Chronoloqie, eine Zcitfolge der heimischen Kunst-
dcnkmale zu versuchen. Daß der Versuch nur ein Anfang ist, noch
vieler Zusätzs und Berichtigungen bedarf, wollen wir gern eingestehen;
wir vordemerken, daß wir die Bestimmung der kölnischen Denkmale
meistens dcm Forscherfleiße des Hrn. DcNoel verdanken. Möge jeder
Kundige sich dazu bewegen lasscn, sein Scherslein beizutragen, aber
nur Kunstwerke, d. h. solche Bauten und Kicchen ergänzend crwäh-
nen, die zu den auSgezeichnetecn oder mitllern in ihrer Art qehört ha-
ben oder noch gehören. W. v. Waldbrühl.

Erster Zeitraum deutsch-christlicher Kunst,
von 360—1060.

Aushülfe durch fremde Bautcn odcr rohere Anfänge des fränkischen
(byzantinischen) Styles.

306 Bonner Münster, angeblich von der Kaiserin Hclena gestistet; un-
tergegangen.

308 Hclencnpalast inTrierzurKircheeingeweiht;nochimDomcrkcnntlich.
310 Aelteste Kirche in Sinzig; unterqegangen.

350 St. Matthias in Trier, an der Stelle «ines durch Eucharius (um
70 nach Chr.) qestifteten Kapellchens; untergegangen.

378 St. Scverin in KLln; untergegangen.

450 Klsrenthurm in Köln?, theilweise noch erkenntlich, unweit bes Re-
gierungsgebäudes.

461 Ursula in Köln, ältester Bau ducch Bischof Aquilinus; unter-
gegangen.

480 Schwarzes Thor in Lrier?.

406 Zülpich, älteste Äirche; untergegangen.

533 Maximin in Tcier, früher Palast, durch BischofApri'tius in eine
Kirche verwandelc; untergeqangcn.

608 Arnual, älteste Kirche, dnrch Arnold n., Herzog von der Mosel;
untergegangen.

627 Kloster Lholey, durch Dagobert; untcrgegangcn.

620 Kloster Pfalzel, durch Dagvbert; untergegangen.

638 Kirchc zu Merzig.

600 Kapelle zu qroß St. Martin in Köln.

697 Kirche zu Rinarcn (Rindern), durch den hcil. Willibard.
 
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