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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1862 (Nr. 203-214)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1812#0040
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dortigrn 8'woh»ern ehen so wunderbar erschien, wie es den Dalmatiaern
zur Zeit vorgekommsn »ur, und übcr deffeu Natur sie erst voa diesea uater
Seufzern und Thränen üder den Berlust und mit dem srommen Gebete um
seine Rückkehr belehrt wurden. Denn Gstt.s Barnchcrzigkeit hatte aus un-
ergründlichen Adstch-en auf einmal daS heilige Haus aus der Gegend von
Tersakte und Ziume weggenonimen und nach dcr Picener-Mark, in die Te-
gend von Ancona, hiaüdergesiedelt. DaS Gebäude ader erregte auch hier
große Ansmerksamkett und «ard wegen seiner wunderbaren Erscheinungen
viel bemcht, sber leider konnte es die schlimmen Leivenschaften bössr Men-
schen nicht stillen^ Die Gegend, wo es stand, war ein srger Schlupfwinkel
für Räuder, welche die frommen Pilger plünderten. Das schiea aber mrt
dem Aille« Frieden des Kauses unverträglich, und so ward es, wenige Mo«
nate später, auf g-heimnißoolle Wsise nach einem Grundstöck verlegt, das
zweien Brödern aus Recanati gehörte. Da sber diese dald über den so
reichlich ers.hnten Befitz ia Zwietracht geriethen und den geweihten Bvden
in brudermörderischem Kampfe defleckten, wanderte das heilige Haus zum
vierten Male auS und blied endlich dort stehen, wo wir es gegenwärtig
erblicken, auf einem Hügel in der Nähe voa Recanati.

Die letzte Bersetzuag des heiligen HauseS geschah in den Tagen des
PapsteS Bonifaz Vlll. AlS dieser nun in dem Jahre 1300 den berühmten
JubiläumS-Ablaß ausschr-eb, der so viele Hundertiausende in Rom versam-
melte, war auch daS h-tlige Haus in Loreto bereits ein berühmter Wall-
fahriSort in der Christenh.it und zog ebeafalls zahllose Pilger an sich. Leider
beganncn aber mit dem Tode de» Papstes Bouifaz Vlll. für die Stadt
Rom und für die ganze Christenheit Tage schwerer Prüfung. Die Päpste
verließen die Gräber der Apostel und wohnten beinahe drer Biertel dcs
Jahrhunserts in fremdem Lande. Da stand zu Rom der Lateran uud die
Kirche, welche die Mutter allcr Kirchen der Stadt und der Welt ist, ohne
Dach, die Päpste sclbst schmachteten >m, wenn auch mitunter freiwilligen,
Eril. Sie konnten daher für daS heilige Haus in Loreto utchts thun. A!S
aber die Päpste von Avignon nach Rom zurückgekehrt und das traurige
Echisma, welches der Kirche eine so herbe Aunde schlug, glücklich b-seittgt
war, sehen wir jene auch dem heiligen Hause in Loreto ohne Unteibrechung
ihre bereitwilligste Sorgfalt znwenden. So Papst Martin V., Nikolaus V.,
Eugen IV., Calirt ll-, bcsonders cber PinS II. Sie alle verherrlichten daS
heilige Haus mit besonderen Abläffen, Privilegie«, Geschenken und großar-
tigen Bauwerke«. Welche Anstalien man aber getroffen, da« heilige Haus
sowohl mit würdiger Zier zu umgeben, alS gege» die nachtheiligen Einflüffe
der Witterung zu schützen, tst uns nicht gcnauer bekannt geworden. Daß
aber schon damals eine größere Kirche darum stand, läßt fich aus eiuzelnen
Aeußerungen der Schriftsteller eninehmen, aber wahrscheinlich war sie klein
und des erhabenen Gegenstandes nicht würdig. Der Erste unter deu Päp-
sten, der je och daran dachte, diesen Uebelstand zu heden und eine gioße
Kirche um das heilige Haus zu bauen, worin dieseS al« bssondereS Heilig-
thum, wie dte Bundeslade im Allerhetligste», stehen blieb, war Paul II., der
scho« als Cardinal auf Beranlaffung eines besonderen Gelübdes die Ma-
terialien hierzu angessmmelt hatte, dann später als Papst wirklich das groß-
artige Unternehmen begann, das von ihm mit allem Eifer betriebeu wurde
«nd welchis er auch ficher grLßtenthetls vollendet hätte, wenn man nicht
uater der Hand, »ie daS ia der damaligen Zeit häustg geschah, fortwährend
an seinem Plane geändert hätte, so dsß sich eine Reihe seiner Rachfvlger
daran, uad man kann sagen: fast ohne Unterbrechung, beschäftigten.

Paul'S II. Nachfolger, Papst Sirtus IV., schenkte nicht bloß dem von
den talemvoklsten Bsumeikern -hrer Zeit betri.-benen Baue seine besondere
Theilnahme, er verherrlichte auch das heilige Haus mit besonderen Privi-
legien und versah es mit kostbarem Gerärhe. Er erhöhte seinen Dienst durch
Ankellung einer großen Anzahl von ausgezeichneten Priestern und Sängern.
Seia Nachfolger Jnnocenz VIII. schickte ebenfalls bedeutende Geschenke an
das heilige Haus und übergab den Dienst in demselben an dte Carmeliter,
welche, von den Türken auS dem Morgenlande vertrisbeu, schon früher zu
dem heiligen Hause, als Bewohner des Berges Carmel, in besonderer Be-
ziehung gestanden hatten und damalS eines vorzüglichen Rufes genoffen,
sowohl wegen threr Gslehrsamkeit als wegen ihrer DiSciplin- Es wurden
ihrer dreißig z» jenem D enste ausersehen, unier welchen stch auch d.r de-
rüomte und als Schriftsteller über das heilige Haus bekannte Johann von
Mavtua befand. Loreto war damals wegea seines Klima's übel berüchtigt,die
Witterunq war wegen der benachdarten Berge rauh, dte umliegenden Wal-
dungcn sumpfig und ungesund. Die Carmeliter unterlagen daher meist dem
nachtheiligen Einfluffe des Klima's und die noch übriggebliebeuen wurden
endlich, nachdem der Orden im Tanzen 9 Jahre dsrt gewirkt, von ihrem
Ordensgeneral zurückgezogen. ES mußte daher für den Dieust anderweitig
gesorgt werden. Die Wahl siel aker ntcht ganz glücklich aus, biS eudltch
unter dem Pspste Leo X. Tanoniker dorthin berufen wurden.

Der von Papst Paul II. begonnene und, wte einzelne Schriftsteller mel«
den, von Strtus IV. vollendete Bau der neuen Kirche über dem Heilig-
thume der seligsten Zungfrau zu Loreto scheint entweder, wie daS gerade tn
Jtalien ss häusig ist, von irgend einem baultchen Ungemach gelitten zu ha-
ben, oder einem Manne, wie Papst Julius II. war, dermit so ungemeffenen
Planen umging, nicht würdig genug gewesen zu sein. Er hatte die Kirche
zu eiaer päpstlichen Capelle erhobeu, wo der Dienst in gleicher Weise ver-
richtet werden sollte, wie tn der Capelle zu Rom, weßhalb daher auch die
dort fungireuden Piiester und Cleriker zur päpstlichen Hausgenoffenschaft
(lnwilla) zu rechnen seien. Auch wurde Loreto um dtese Zeit für unabhän-
gig von Recanati erklärt. Es erhtelt Markt« und Zollfreiheit und reiche
Geschenke von allen Seiten her. Aber gerade deßhalb war der Ort auch
vieleu Gefabren auSgesetzt. Die Nähe deS MeereS lockte die Piraten und
mohamedanischen Barbaren, und weil jetzt Lorets dem Schutze von Recanati
rntzogen und auf fich selbst augewiese» war, mußte es um so mehr befestigt
werden. Das waren aber Dinge, worauf fich damals Ntemand beffer ver-
staud als der Papst Julius II., der auch, wie in Mirandola, eine Bresche
zu stürmen wußte. Zulius II. befesttgte Laher uicht bloß die Stadt, er suchte
auch dem vou Paul II. begonnenen Kirchenbau in Loreto eine militärische
Befestigung zu gebeu, so daß eS allenfalls eiae Belagerung aushalten köunte.
Er ging dah.r mit seiaem Baumeister, dem berühmten Bramante, zu Rathe
uud ließ dsS Werk durch den damaligen Patron von Loreto, HternopmuS
RuberiuS, in Angriff «rhmen- Dieser setzte seine Ehre und die Ehre seiner
Familir in die AuSführuug eines derartigen AuftrageS und tefestigte die

Bafilica nach einer Art von Burg, worin sich die einzelusn Tap llen wie
, Borwerke aulegten und allenthalben an den Gipfeln ihrer Mauern mit Zinuen
^ gekröut waren, die allenfalls als Schießscharten dieneu konnten, deren Zu-
ganz auf dem Dache lag und unter deren Lchutz die Vertheidiqer ficher
' umherschwärmsn konnten. DaS Ganze haite daher, wie Tuiselin bemsrkt, bei
den von fern Betrachtenden mehr den Anschein einer Burg als eines Gottes«
hauses, wozu noch kam, daß die Kirche seldst auf dem Abhange eincs Hügels
erbaut war. Zch kenne viele mittelalterliche Kirchen am Rheine und sonstwo,
in Frankreich und England, die den Charakter von Burgen tragen, ent-
weder ganz oder theilweise, aber der Dom von Loreto fieht augenblicklrch
nicht mehr danach aus, er hat ganz den Stpl der italienischsn Kirchen des
sechszehnten Jahrhunderts. Sowohl dre Fapade als die Kuppel, die Sciten-
wände der Kirche, nichts hat gegenwärtig mehr den Anscheru von einer
Burg. Die Kirche selbst bestand aus 12 große» Pfeilern, von denen 6 au
jeder Seite das Gewölbe trugen. An das Hauptschiff wurden links vnd
rechts sechs kleiue Capsllen angefügt, welche eben so vielen Pfeilern ent-
sprachen. Um das Haupt der Krrche setzten fich dann noch fieben andere Ca-
pellcn henim mit vrer Sacristeien zur Aufbewahrung der Schätze. Das Ganze
wurde mit einer Kuppel gekrönt, welche fich über dem heiligen Hause erhob.
Man erkennt noch gegenwärtig in diesem prachtvollen Baue die edle Groß-
artigkeit und Genialität des berühmten Bramante, aber wir werden noch
weiter hören ven dcn Mißgeschicken, die an italicnischen Kirchen, die berühm-
testen nicht ausgeschloffen, so häufig find.

Als Papst Julius II. fich bei der Erstürmung von Mirandola, wo er
einer der Erstcn die Brssche erstieg, auf wunderbare Wetse durch den Schatz
der selrgftea Jungfrau vou Loreto, wo er unmcktelbar vorher geweseu, vor
etner großen Bombe gerettct sah, glanbte er fich auch dieser Kirche noch
mehr verpflrchtet. Er defestigte dte Stadt mit weiteren Werken und ließ
durch seinen Baumeister Bramante jenea großartigen Palaft anlegen, der
fich dicht an die Kirche von Loreto anschloß, in zwei Flügeln fo.tjetzte und
gegenwärtig noch den Namen der 6ass xiools führt, ursprünglich aber znr
Aufnahme sürstlicher Personen bestimmt war. Dieftr wahrhaft fürstliche Pa-
last ist ein herrltches Werk der Architektur damaliger wie aller übrrge»
Zeiten. Er ist im Rundbogenstp! erbaut, vftlleicht nie ganz fertig geworden,
und umgibt die Ktrche mit zwei Flügeln, die i» der Mitte eiaen schöneu
viereckigen Platz bilden.

Außerdem versah Papst Julius II. die Kirche mit einer herrlichen Orgel
und etner Glocke von enormer Größe, wofür eia besonderer Glockenthurm
gebaut wurde, zu dem der Papst, der überhaupt viel in Loreto war und nach
den damaligen Zeitumständen sein mußte, den Grundstein legte. Er dachte
bereits daran, die äußere Zelle, die äußerea Wäude des heiligen Hauses
selbst, welche gegenwärtig wegen ihrer graudiosen Kunstwerke ein Hauptschmuck
der Kirche bildeten und das Zrel so vieler Kunstfreunde waren, mit kostdaren
Marmorwerk.n zu umgebea, als er vou dem Tode Lberrascht wnrde, der
das Werk seinem nächsten Nachfolger und dre Vollendnng desselben erst
seinem dritten, einem Medicäer, Clemens VII., überließ. ES ist auffall nd,
daß gerade ein Mann vou so kciegerischer Gefinimng für einen Ort wie
Loreto, dessen Bedeutung durch und durch friedlich, so viel thun konnte.
Aber JnliuS II., der Freund Michel Angelo's, war ein Mrnn von großar«
ttger Gefinnung und hochherziger Unternehmung, er war nicht bloß etn Mann
dss Krieges, souders auch etaer der vorzüglichsten Beförderer der Künste,
deren Blüthe mit seiner Regierung beginnt, die er auch für das von ihm
so geehrte Loreto in jeglicher Weise in Anspruch nahm. Der Erbauer der
ncuen PeterSkirche, die fich unter seiner Regi.rung über den Gräbern der
Apostelfürsten in Rom erhob, wollte auch in der Verehrung und Berherr-
lichmig jenes heiligen Hau es, wo das großte Werk der Barmherzigkeit
Gottes für die Menschheit setnen Lufang nahm, »icht zurückstehen.

Allerdings hatte der Nachfolger des Papstes JuliuS II-, Leo X., fich
mtt Ausschmückung des Heiligthums in Loreto ernstlrch beschäftigt. Er hatte
deßhalb mit einem der berühmtesten Architekten und Bildhauer der damaligen
Zeit, mit Sansovino, Rath gepflogen und diesem dte erforderlichen Aufträge
ertheilt, die dahin lsuteten, es sei seine Abficht, ein Werk zu gründen, daS,
wiewvhl klein an fich, doch an Pracht und Glanz alle üderrreffen werde.
Es wurden daher mit großen Kosten Marmorstücke ans Carrara, aus Ligu-
rien verschrieben, welche zu Waffer die ganze Reise um Jtalien herum dis
Ancona machten und von hier den schwierigen W-g nach Loreto hmaufge-
bracht wurden. Auch zierte er das Heiltgthum mit kostbaren Leuchtern, wie
er dem Vorsteher der dorttge» Geifllichkeit den Gebrauch der Psntificalien ver-
ltehen, Loreto selbst aber, das noch immer räuberische Blicke auf stch wandte,
zu se-nem Schutze mrt Wall nnd Graben, stärkeren Mauern und größere»
Befestigungswerken versehen wrrrde. Papst Lco hätte aber das Haupiwerk,
die AuSschmückung des heiligen Hauses mit Marmor-BildnissiU, gern in
setnem Lebcn noch vollendet gesehen. Es eristirt noch ein Brief von ihm,
den er d-ßhatb an Sansovino schrieb und worin er ihm die Wlchtigkett dte-
ses Unternehmens ans Herz legte. Er sollte indeffen die Bollendung des«
selben, die ohnehtn euch noch durch den Bau der Peterskirche gehemmt
wurde, nicht mehr erleben.

Der Nschfolger Leo's X. regrerte nnr eine zu kurze Zeit. Auch war
sein Gemüth andcrweittg durch dte Kirchenspaltung zu sehr beschäjttgt, alS
daß er an großartige künstlerische Uaternehmen denken koente, die oha-hiu
nicht nach seinem Sinne wsrea. Es grbt aber auch von ihm Beweise, wte
hoch das heilige Haus bei ihm iu Ehren stand.

(Schluß folgt.)

Berantwortlicher HerauSgeber: I. I. Nelles in Köln.
CommisfionS-Berlag und Druck von M. DuMont-Schauberg in KLln.
(Erpeditiou der Kölntschen Zeitung.)
 
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