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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0257
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251

VII.7. Alternative Deutung der Symbolik - astrologische,
christlich-moralisierende oder Liebes-Symbolik?

In der Deutung von Bildsymbolen, denen keine bestimmten Texte
beigegeben sind oder deren literarische Programme nicht bekannt
sind, lässt sich - wir haben dies früher betont (746) - immer
eine Vielzahl von stark voneinander abweichenden Deutungen
scheinbar "belegen" mit einer Textstelle oder mit ikonographi-
scher Tradition, die man heranzieht. Die Eule kann die Sünde
bedeuten, aber auch im Gegenteil den leidenden, die Sünde über-
windenden Dulder Christus, oder die Melancholie und den Plane-
ten Saturn u.a. (747). Humanistischer (und christlicher) Denk-
weise wäre es nicht fremd, einem Bildsymbol verschiedenartige
Bedeutungen zugleich zu geben und es als komplex-ambivalent zu
betrachten (748), besonders bei der Kombination mehrerer Sym-
bole. Zum Beispiel Stern und Eule: sie haben zunächst ein ge-
gensätzliches Aussehen, sind aber beide Erscheinungen der Nacht.
Das Brustband der Anna Cuspinian kann man verstehen erstens
als bedingt durch Kleidermode und Geschmack (des Auftraggebers
oder Malers), zweitens als Zeichen der bräutlichen Reinheit,
parallel zur Nelke in der Hand (749), drittens vielleicht als
Hinweis auf das Element Gold, das nach Ficino von allen Elemen-
ten das Temperierteste und Beständigste sei und wegen seines
Glanzes dem Planeten Sol, wegen seiner Beständigkeit dem Pla-
neten Iuppiter gehöre (75o). Gewiss liess sich nachweisen, dass

(746) Vgl. Anm. 426.

(747) S. Anm. 64o u.a.

(748) Pico della Mirandola (nach Plato, Parmenides): alles
Göttliche enthält das jeweils Gegenteilige ebenfalls in
sich (s. Anm. 699). Nicht spurlos konnte auch an den Hu-
manisten die patristisch-scholastische Tradition der
Bibelexegese nach dem "vierfachen Schriftsinn" vorüber-
gegangen sein. Dante hatte gefordert, dass seine "Divina
Commedia" nach dem vierfachen Schriftsinn ausgelegt werden
sollte. Erst Luther drang für die Bibel auf "unus simplex
sensus" (vgl. den komprimierten Abriss bei Mathias Feldges,
Grimmelshausens "Landstörtzerin Courasche", Eine Interpre-
tation nach der Methode des vierfachen Schriftsinnes,Bern
1969, 7 ff) .

(749) S. 2oo.

(750) S. Anm. 74o.
 
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