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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0268
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262

VIII. GEHEIMNISSE.

Die Ungewissheit der rationalen Deutung schmälert nicht die
künstlerische Ausstrahlungskraft der von Cranach gemalten Bild-
nisse, und sie rückt uns nicht einmal die Persönlichkeiten Cus-
pinians und seiner Frau fern. Im Persönlichen und schon gar in
der Kunst haben Dinge, die der Ratio verschlossen bleiben und
doch spürbar präzis formuliert sind, ihren Sinn. Obwohl es hi-
storisch und sachlich abwegig ist, sei ein Zitat des Malers
Georges Braque gestattet: "Es gibt gewisse Geheimnisse, gewisse
Mysterien in meinem eigenen Werk, die ich nicht einmal selbst
verstehe, noch versuche ich, sie zu verstehen. Warum auch? Je
mehr man fragt und untersucht, umso tiefer wird das Geheimnis:
es entzieht sich immer dem Zugriff. Geheimnisse müssen respek-
tiert werden, wenn sie ihre Macht behalten sollen" (787). Und
nochmals ein unsachlicher Sprung, zeitlich zurück zu Luther, der
in seinem Streben um religiöse Erneuerung die Erfahrung macht:
"Gott begreifen ist eine Verkleinerung Gottes" (788). Cuspinian
zeigte und verbarg Gott im Stern (wenn wir ihn richtig gedeu-
tet haben) und beliess im Unbegreiflichen, dass oder wie das
Uebernatürliche im Natürlichen wirksam und erschaubar werde.
Seine Augen scheinen auszusprechen, was auch eines Paracelsus
Glaube war: "nun, ist ein licht in uns, so hats got in uns ge-
tan" (789).

(787) Georges Braque, Vom Geheimnis in der Kunst, Gesammelte
Schriften, Zürich 1958, 65.

(788) Weise 1953, 33 f.: neue Ehrfurcht vor dem als fernseiend
empfundenen Gott bei den Humanisten und Reformatoren trotz
allen religiösen Bemühens; dagegen im Spätmittelalter Ver-
traulichkeit mit Gott (J. Huizinga, Herbst des Mittelal-
ters, 7. Aufl. 1953, 163).

(789) Paracelsus Werke 2. Abt. I, 8o (Philosophia Magna). Para-
celsus: "die influenz des hailigen gaist" solle bewirken,
dass wir die Astrologie, nämlich "die alten gestirn von
uns sollen tun und den neuen himel annehmen" (Archiv für
Reformationsgeschichte XIX, 1917, 25 f.). Paracelsus hat
sich übrigens auch mit dem Stern Christi über Bethlehem
abgegeben: "der ist nicht vom eussern himel entstanden,
sonder vom innern himel ausgangen in den eussern dem men-
schen zu gesicht gestellt..." (Werke ed. Sudhoff XII, 276;
vgl. XII, 333; s. auch Werke ed. Aschner IV, 624 und 668).
 
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