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Koldewey, Robert; Puchstein, Otto
Die griechischen Tempel in Unteritalien und Sicilien: Text — Berlin, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.5536#0194
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DER GRIECHISCHE
TEMPELBAU IN UNTERITALIEN UND SICILIEN

Aus den griechischen Colonien von Unteritalien und Si-
/ \ cilien haben wir hier aufser einem Propylon im ganzen,
JL. JL die drei verschiedenen Bauten des Tempels von Locri
dreifach gezählt, 40 Tempel, wovon noch zehn (mit Pompeji elf)
ihren Altar vor der Front besitzen, und aufserdem 2 grofse
isoliert gelegene Brandopferaltäre nach neuer und selbständiger
Untersuclmng dargestellt.

Unter den Tempeln sind 30 griechische Peripteroi und
1 Pseudoperipteros, der ja der aufseien Form nach auch dazu
gerechnet werden kann, obwohl er eigentlich zu den peristasis-
losen Cellen gehört, aber nur 1 römischer Peripteros von der
im Grundriss unvollkommenen italischen Art und 8 mehr oder
minder einfache Cellen, davon die eine Hälfte gut griechisch,
die andere zwar spätgriechisch oder römisch, aber unver-
üchtlich.

Das sind wohl die sämtlichen sacralen Bauten in West-
griechenland, die noch derartig erhalten sind, dass sie zu einer
ausführlicheren Behandlung reizen konnten.

Ihre geographische und innerhalb der einzelnen Ruinen-
stätten topographische oder historische Verteilung ist aus dem
Inhaltsverzeichnis ersichtlich. Vorangestellt ist Locri, weil es
den einzigen Tempel altionischen Stiles im Westen enthält.
Was die anderen Bxünenstätten auszeichnet, sind neben ver-
hältnismäfsig geringfügigen Resten aus hellenistischer und rö-
mischer Zeit die grofsen altdorischen Monumente. Da an
diesen locale Eigentümlichkeiten, die über den einzelnen Ort
bis zu den anderen Colonien desselben Ursprungs hinaus-
greifen, sehr bestimmt hervortreten, haben wir einerseits die
achäischen Colonien Unteritaliens zusammengestellt, anderer-
seits die dorischen auf Sicilien, denen sich stilistisch und
das erweist die Trennung nach den verschiedenen Stämmen
als zutreffend — auch Tarent anschliefst. Die Consequonz da-
von Avar, auch die chalkidischen, geographisch weniger eng
gruppierten Colonien zusammenzufassen, obwohl hier wegen des
Mangels an archaischen Bauten die ursprüngliche Einheit ihrer
stilistischen Tendenzen nicht mehr nachweisbar ist. So wich-
tige Städte wie Kyme, Neapolis und Katane, kommen leider über-
haupt nicht in Betracht, wo es sich um griechische Tempel
handelt. Dafür musste den chalkidischen Colonien die grie-
chische Ruine in Pompeji untergeordnet werden, wie man das
seiner Bevölkerung nach barbarische Segesta nirgends besser
als hinter der nächst gelegenen, architektonisch so mächtigen
Colonie, Selinus, einreihen kann. Tauromenion ist aus prak-
tischen Gründen hinter Akragas placiert und die Cella von

Haluntium an der Nordküste Siciliens — zii weit aufserhalb
unserer Routen — S. 186 r. nur erwähnt.

Innerhalb der beiden Hauptgruppen ergab sich die ge-
wählte Reihenfolge von selbst: dort hat Paestum als äufserste,
uns Nordländern nächste griechische Colonie und weil es zu-
gleich die altertümlichsten Bauten achäischen Stiles enthält,
den Reigen zu eröffnen, hier sind Tarent \md Syrakus am
ältesten und haben die altertümlichsten dorischen Bauten, und
von der Ostküste Siciliens wird man durch das Hyblaeische
Mcgara unmittelbar in den äufsersten Westen, nach Selinus
mit seinen unschätzbaren Resten gewiesen, während Gela
für uns mehr durch sein Schatzhaus in Olympia als durch
die elende Ruine vor den Thoren von Terranova interessant,
zu seiner stolzen Tochterstadt Akragas überleitet.

Obgleich wir bei den einzelnen Colonien kurz erwähnt
haben, was an Heiligtümern durch die antike Litteratur be-
kannt ist oder, wie die Schatzhäuser in Olympia, aufserhalb
unseres Untersuchungsgebietes liegt, so wird alles das zu-
sammengenommen doch nicht dazu geeignet sein, eine zu-
treffende Vorstellung von dem architektonischen Reichtum zu
erwecken, wodurch einst die griechischen Colonien im Westen
ausgezeichnet waren. Aber wir haben noch Grund genug, dem
Geschick für das Erhaltene dankbar zu sein.

Es wird nun wohl ein jeder darnach verlangen, dass die
Bauten, die wir der Reihe nach einzeln beschrieben haben, auch
noch systematisch gruppiert und im Zusammenhang besprochen
würden, damit ihre wesentlichen, seien es allgemeine oder indivi-
duelle Eigenschaften deutlicher hervortreten könnten und manches
Einzelne von der Beleuchtung profitierte, die von einem cen-
tralen Lichte kommt. Wenn wir diesem Verlangen hier
nachzukommen versuchen, vermeiden wir es absichtlich, mehr
als unumgänglich notwendig ist, die dorischen Monumente in
den anderen griechischen Ländern zu berücksichtigen; wir
haben sie nicht selbst untersucht und sind auch nicht in der
Lage gewesen, uns nach den vorhandenen, so verzettelten
Publicationen eine so genaue Kenntnis davon zu verschaffen,
wie es zu einem erspriefslichen Vergleich mit unseren Bauten
im Westen wünschenswert gewesen wäre, ganz abgesehen von
dem Gesichtspunkt, ob alle jene Monumente jedesmal gründlich
und zuverlässig genug veröffentlicht worden seien. Möchte der
Wissenschaft bald einmal eine umfassende, einheitliche Unter-
suchung der sämtlichen dorischen Tempel des Ostens beschert
werden!
 
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