Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Koppel, August
Für und wider Karl Marx: Prolegomena zu einer Biographie — Karlsruhe: Druck und Verlag der G. Braunschen Hofbuchdruckerei, 1905

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.61346#0030
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

I. Kapitel.

Heraklit. Der Gedanke wird fruchtbar gemacht und die Erkenntnis-
kraft von den Fesseln befreit; sie bleibt nun nicht mehr auf einen
Punkt gebannt. Doch das ist das Neue und das Entscheidende,
daß sofort die wissenschaftliche Disziplin einsetzt und der Respekt
vor der Realität. Notwendigerweise. Denn die Verwebungen
und Verzweigungen verlangen ein genaues Nachgehen und ver-
bieten jedes Abweichen oder Überspringen oder Sichübersieerheben
und so ist es möglich, daß an die Stelle der Anarchie die Ordnung
treten kann. Und wenn Kant die Skeptiker »eine Art Nomaden«
nennt, »die allen beständigen Anbau des Bodens verabscheuen«,
so wird an dieser Stelle wohl deutlich, wie nahe der Vorwurf
der Skepsis liegt und wie wenig dieser Relativismus mit ihr in
der Tat zu tun hat, so wenig, »daß vielmehr umgekehrt das Fest-
halten in einem allgemeingültigen, absolut einheitlichen Ideale für
Erkenntnis, Sittlichkeit und Gesellschaft zu skeptischer Ver-
zweiflung führen muß«.
Inwieweit diese Ablehnung alles Definitiven zu positiven
Resultaten führen kann, muß an der Behandlung der Einzel-
probleme klar werden. Denn jede erklärende Leistung wird sofort
der Optik des Lebens unterstellt.
An diesem Punkte mag es deutlich werden, warum ich aus
der Symphonie des 19. Jahrhunderts gerade Marx und Simmel
herausgreife und gegenüberstelle. In ihnen verkörpern sich zwei
entscheidende Tj^pen, der Weg von Marx zu Simmel bezeichnet
genau die Entwicklung von dem einen Typus zum andern: Marx
der radikale Streiter, Simmel der intellektuelle Neurastheniker —■
Beiden aber die Dinge als Objekte gesetzt. Wo ist nun die
größere Energie des Ansturms und wo das positivere Resultat?
Nicht in Hinsicht auf den praktischen Effekt. Obgleich es
unendlich reizvoll wäre, die Frage so zu stellen und zu unter-
suchen. Denn in Marx wird Fichtes Geist lebendig und von
einer großen Idee ergriffen, entschließt er sich zu resolutem
Handeln, zeigt einen Weg, unbekümmert um das Danebenliegende
und reißt die Massen mit sich. Hier aber schaut ein Künstler
das Ganze der Welt mit all ihren Wegen, entwirft ihre Karte,
breitet sie vor uns aus und zeichnet noch im Ausbreiten neue
Möglichkeiten ein; ein Stück Protagoras steckt in ihm. Der
Eine gibt den Hilflosen eine Stütze und den lediglich vom Willen
zur sozialen Tat Erfüllten ein Ziel, der Andere aber breitet die
 
Annotationen