TRIER
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obige, längere Inschrift bot. Sie wurde in dem Convent verlesen, zu grossem Jubel der Anwesenden, der indessen durch
die Missbilligung einzelner Conventualen gestört wurde — ‘nec tarnen defuit in ipso fidelium Dei collegio Ecclesiae mali-
gnantis dissensio, quae haec divinae miserationis beneficia non, quanta debebat, reverentia suscipiebat’. Offenbar konnten
mehrere Stiftsherren an die Echtheit der Bleitafel nicht glauben; vermuthlich ist das der Grund, wesshalb dieselbe möglichst
bald wieder verschwand. Niemand hat sie seither gesehen, und die zu ihrer Aufdeckung angestellten Ausgrabungen
blieben erfolglos (vgl. Schmitt a. a. O. S. 333). Dass, wie Schmitt a. a. O. 332 vorgibt, auch ‘die auswärtigen
gleichzeitigen Chronisten die Auffindung der Bleitafel berichteten’ ist nicht richtig: Lambert von Hersfeld spricht (z. J. 1072)
von ‘bleiernen Tafeln, auf welchen die Namen verzeichnet waren’; Sigebert von Gemblours (z. J. 1071) erwähnt die
Bleitafel gar nicht und spricht von den goldnen Buchstaben, welche an der Wand geschrieben waren und die Namen
der Märtyrer und die Zeit des Martyriums angeben.
Brower hatte die Enstehung der Bleitafel (mit dem langem Texte) ins J. 882 gesetzt, worin ihm die neuesten Ver-
teidiger der Echtheit derselben, Marx Erzst. II, 2, 60 f. Schmitt Paulinusk. 8.348/. und Beissel Kirchen
Triers I 31 ff. im Wesentlichen gefolgt sind, ja letzterer lässt sie (8. 34) noch vor 882 geschrieben sein. Bertholet
der (Hist. d. Luxemb. I app. XX) die Inschrift mit einigen Varianten aus Rescension C abdruckt, folgt ganz seinem
Ordensgenossen Brower. Hontheim Prodr. 1100 f. hatte bereits starken Argwohn gegen die Echtheit der Tafel, bezw. die
Abfassung um 882 ausgesprochen; von den von ihm vorgelegten Einwendungen hatten die Bollandisten (Oct. II333 f.)
einige anerkannt, andere abgelehnt. Die neuere Kritik hat sich der Bleitafel gegenüber durchweg ablehnend verhalten.
(Rettberg KGD. I 108. Linde, A. I)er Frankenherzog Rictiowar. Trier 1832. Leonardy Gesch. d. Trieri-
schen Landes u. Volkes, Trier 1810, S. 190 f. Ders. Nenniger Inschr. 40. S. 30 Anm. Hauck KGD. 124 ;
Garen fei d Die Trierer Bischöfe des 4. Jhs. Bonn 1888, 8. 30. Vorsichtiger äussere sich Friedrich KGD.
I 139. Wattenbach DGQ.* * * * 5 II. 109).
Ob der Text der (grössere) Inschrift der angeblichen Bleitafel mit nachweisbaren Thatsachen der Christenverfolgung
Diocletians etwas gemein habe, ist eine Frage, auf die ich nicht beabsichtige hier einzugehen. Was die Bleitafel anlangt,
so ist mir zweifelhaft, ob eine solche mit der längere oder mit der kürzere Inschrift wirklich existirt hat oder die Existenz
einer solchen nur vorgegeben wurde. Hat die längere Inschrift wirklich existirt, so kann ihre Ausführung nur dem 11. Jh.
zugeschrieben werden. Ganz abgesehen von den in ihrem Rechte bestehenden Gründen, welche bereits Hontheim gegen
die Abfassung um 882 geltend gemacht hat, spiegelt dieser längere Text Zustände und Verfassung der Stadt Trier aus
dem 11. Jh. ab. Der Consul und Patricius scheint die Uebersetzung des Scultetus, der in Trier nicht vor dem 12. Jh.
nachgewiesen ist (vgl. Beyer Mittelrh. Urkdb. II 93 f. Einl). Die sieben Senatoren sind sehr deutlich die Scabini,
deren Siebenzahl um jene Zeit gewöhnlich ist (vgl. Ducange i. v. und Eitester Mittelrh. Urkdb. II a. a. O.).
Auch die Schreibung Trewir weist nicht auf das 9. Jh., wo man noch immer Trewer schrieb. Im Uebrigen erscheint
es heute als völlig überflüssige Mühe dem Erweise, dass die Bleitafel nicht älter als ihre ‘Auffindung’ sei, noch weitere
Ausführungen zu widmen; kein Epigraphiker wird diese Tafel jetzt mehr ernst nehmen.
Ich bemerke noch, dass F. J. Müller in dem in meinem Besitz befindlichen handschr. ‘Hist. Entwurf’p. 27
eine angeblich zu Zeiten Erzbischof Udo’s entdeckte Inschrift über Rictiovarus mittheilt.
Endlich sei noch erinnert, dass Hontheim Prodr. I 107 erzählt, vor c. 12 Jahren (also um 1745) hätten
Studierende der Universität einen der Pauliner Sarkophage aus Muthwill geöffnet und: visa sunt ossa paucula cum cineribus
et tabula, in qua scriptum:
Ossa et cineres s. Palmatii consulis et martyris.
39 S. Paulin. Dedicationsinschrift der Kirche vom J. 1049, Sept. 7. ‘Vetus lapis ex ruina et templi incendiis bipartito
dissectus, qui in ipso Ecclesiae vestibulo fugientibus aevo literis diversis in locis cum hac inscriptione cernitur’ (B r.).
ANNO INCARNATIONIS DOMINI MXLIX- AB LEONE IX- PAPA
ANNO PONTIFICATVS SVI I ROMANA SEDIS SL • ET P T1VL
VII • IDVS SEPTEMBRIS HAC ECCLESIA DEDICATA IN
HONOREM S ■ CRVCIS • ET S ■ PAVLINI ET MARTYRVM
5 PONTIFICVM FELICIS ET MRI • MODOALDI ■ QVORVM
HIC CORPORA REQVIESCVNT • HENRICI IMPERATORIS
II • ANNO • IMPERII SVI III
Brower Ann. Treu. I 527 (ohne Angabe der Zeilen, U für V, Interpunction willkürlich). Schmitt Paulinusk. S. 114. 360. 458.
Schäffer, Seb. Georg, Papst Ezigen III u. s. Besuch in Trier (Progr. d. Realsch.). Trier 1865, S. 1. Görz Regg. d. Erzb. v. Trier 8.32g.
Mittelrh. Regg. I 378. Marx Gesch. d. Erzbt. IV 58. Kraus BJ. L—LI223. Beissel Kirchen I 43. Sauerland 55. XV, 2, 1276, Not. 1.
2 simul et iNUint p-tvl Br. (pontifice Tullensi?). — 5 Zu mri = mari Br.
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obige, längere Inschrift bot. Sie wurde in dem Convent verlesen, zu grossem Jubel der Anwesenden, der indessen durch
die Missbilligung einzelner Conventualen gestört wurde — ‘nec tarnen defuit in ipso fidelium Dei collegio Ecclesiae mali-
gnantis dissensio, quae haec divinae miserationis beneficia non, quanta debebat, reverentia suscipiebat’. Offenbar konnten
mehrere Stiftsherren an die Echtheit der Bleitafel nicht glauben; vermuthlich ist das der Grund, wesshalb dieselbe möglichst
bald wieder verschwand. Niemand hat sie seither gesehen, und die zu ihrer Aufdeckung angestellten Ausgrabungen
blieben erfolglos (vgl. Schmitt a. a. O. S. 333). Dass, wie Schmitt a. a. O. 332 vorgibt, auch ‘die auswärtigen
gleichzeitigen Chronisten die Auffindung der Bleitafel berichteten’ ist nicht richtig: Lambert von Hersfeld spricht (z. J. 1072)
von ‘bleiernen Tafeln, auf welchen die Namen verzeichnet waren’; Sigebert von Gemblours (z. J. 1071) erwähnt die
Bleitafel gar nicht und spricht von den goldnen Buchstaben, welche an der Wand geschrieben waren und die Namen
der Märtyrer und die Zeit des Martyriums angeben.
Brower hatte die Enstehung der Bleitafel (mit dem langem Texte) ins J. 882 gesetzt, worin ihm die neuesten Ver-
teidiger der Echtheit derselben, Marx Erzst. II, 2, 60 f. Schmitt Paulinusk. 8.348/. und Beissel Kirchen
Triers I 31 ff. im Wesentlichen gefolgt sind, ja letzterer lässt sie (8. 34) noch vor 882 geschrieben sein. Bertholet
der (Hist. d. Luxemb. I app. XX) die Inschrift mit einigen Varianten aus Rescension C abdruckt, folgt ganz seinem
Ordensgenossen Brower. Hontheim Prodr. 1100 f. hatte bereits starken Argwohn gegen die Echtheit der Tafel, bezw. die
Abfassung um 882 ausgesprochen; von den von ihm vorgelegten Einwendungen hatten die Bollandisten (Oct. II333 f.)
einige anerkannt, andere abgelehnt. Die neuere Kritik hat sich der Bleitafel gegenüber durchweg ablehnend verhalten.
(Rettberg KGD. I 108. Linde, A. I)er Frankenherzog Rictiowar. Trier 1832. Leonardy Gesch. d. Trieri-
schen Landes u. Volkes, Trier 1810, S. 190 f. Ders. Nenniger Inschr. 40. S. 30 Anm. Hauck KGD. 124 ;
Garen fei d Die Trierer Bischöfe des 4. Jhs. Bonn 1888, 8. 30. Vorsichtiger äussere sich Friedrich KGD.
I 139. Wattenbach DGQ.* * * * 5 II. 109).
Ob der Text der (grössere) Inschrift der angeblichen Bleitafel mit nachweisbaren Thatsachen der Christenverfolgung
Diocletians etwas gemein habe, ist eine Frage, auf die ich nicht beabsichtige hier einzugehen. Was die Bleitafel anlangt,
so ist mir zweifelhaft, ob eine solche mit der längere oder mit der kürzere Inschrift wirklich existirt hat oder die Existenz
einer solchen nur vorgegeben wurde. Hat die längere Inschrift wirklich existirt, so kann ihre Ausführung nur dem 11. Jh.
zugeschrieben werden. Ganz abgesehen von den in ihrem Rechte bestehenden Gründen, welche bereits Hontheim gegen
die Abfassung um 882 geltend gemacht hat, spiegelt dieser längere Text Zustände und Verfassung der Stadt Trier aus
dem 11. Jh. ab. Der Consul und Patricius scheint die Uebersetzung des Scultetus, der in Trier nicht vor dem 12. Jh.
nachgewiesen ist (vgl. Beyer Mittelrh. Urkdb. II 93 f. Einl). Die sieben Senatoren sind sehr deutlich die Scabini,
deren Siebenzahl um jene Zeit gewöhnlich ist (vgl. Ducange i. v. und Eitester Mittelrh. Urkdb. II a. a. O.).
Auch die Schreibung Trewir weist nicht auf das 9. Jh., wo man noch immer Trewer schrieb. Im Uebrigen erscheint
es heute als völlig überflüssige Mühe dem Erweise, dass die Bleitafel nicht älter als ihre ‘Auffindung’ sei, noch weitere
Ausführungen zu widmen; kein Epigraphiker wird diese Tafel jetzt mehr ernst nehmen.
Ich bemerke noch, dass F. J. Müller in dem in meinem Besitz befindlichen handschr. ‘Hist. Entwurf’p. 27
eine angeblich zu Zeiten Erzbischof Udo’s entdeckte Inschrift über Rictiovarus mittheilt.
Endlich sei noch erinnert, dass Hontheim Prodr. I 107 erzählt, vor c. 12 Jahren (also um 1745) hätten
Studierende der Universität einen der Pauliner Sarkophage aus Muthwill geöffnet und: visa sunt ossa paucula cum cineribus
et tabula, in qua scriptum:
Ossa et cineres s. Palmatii consulis et martyris.
39 S. Paulin. Dedicationsinschrift der Kirche vom J. 1049, Sept. 7. ‘Vetus lapis ex ruina et templi incendiis bipartito
dissectus, qui in ipso Ecclesiae vestibulo fugientibus aevo literis diversis in locis cum hac inscriptione cernitur’ (B r.).
ANNO INCARNATIONIS DOMINI MXLIX- AB LEONE IX- PAPA
ANNO PONTIFICATVS SVI I ROMANA SEDIS SL • ET P T1VL
VII • IDVS SEPTEMBRIS HAC ECCLESIA DEDICATA IN
HONOREM S ■ CRVCIS • ET S ■ PAVLINI ET MARTYRVM
5 PONTIFICVM FELICIS ET MRI • MODOALDI ■ QVORVM
HIC CORPORA REQVIESCVNT • HENRICI IMPERATORIS
II • ANNO • IMPERII SVI III
Brower Ann. Treu. I 527 (ohne Angabe der Zeilen, U für V, Interpunction willkürlich). Schmitt Paulinusk. S. 114. 360. 458.
Schäffer, Seb. Georg, Papst Ezigen III u. s. Besuch in Trier (Progr. d. Realsch.). Trier 1865, S. 1. Görz Regg. d. Erzb. v. Trier 8.32g.
Mittelrh. Regg. I 378. Marx Gesch. d. Erzbt. IV 58. Kraus BJ. L—LI223. Beissel Kirchen I 43. Sauerland 55. XV, 2, 1276, Not. 1.
2 simul et iNUint p-tvl Br. (pontifice Tullensi?). — 5 Zu mri = mari Br.
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