Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Behn, Irene [VerfasserIn]
Leone Battista Alberti als Kunstphilosoph — Heidelberg, 1911

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51083#0015
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BEGRIFF DES SCHÖNEN.

Die Würdigkeit der Kunst.

VOR einer wissenschaftlichen Betrachtung der Kunst wäre zu-
erst die Frage zu beantworten, ob die schönen Künste solcher

Behandlung würdig seien, ob nicht Menschenlaune in ihnen ein
unergründliches Spiel treibe. Wer geneigt ist, ihre hohe Ein-
schätzung für selbstverständlich anzusehen, der mag vor der Tatsache
stutzig werden, daß Plato, der erste Aesthetiker, in seinen Büchern
vom Staat die Künste für etwas Entbehrliches und mitunter sogar
Schädliches erklärte. So tief konnten sie von einem spekulativen Kopf
zur Zeit ihrer vollsten Entfaltung gestellt werden. So tief wurden sie
immer eingeschätzt zu Zeiten, wo sich der Geist nicht mehr in ihren
sinnlichen Formen äußerte, und das religiöse oder wissenschaftliche

Interesse überwog. «Wie konnte jener Träume Glanz mich blenden,»
in diese Worte schließt Michelangelo seine letzte Stellung ein zur
sinkenden Kunst der Renaissance. Freilich brauchen wir eine solche

Absage zur Zeit der erstehenden Kunst von einem Künstler nicht zu
erwarten. So bewertet denn auch Alberti die Kunst viel höher: «Durch
nichts unterscheidet sich der Mensch mehr vom Menschen, als durch
das, was ihn allein der Gattung der Tiere weit enthebt: durch die
Vernunft und die Kenntnis der guten Künste»’. Unter den «guten
Künsten» sind auch die einbegriffen, die gut zu etwas, also nützlich
sind. Trotzdem wird Schönheit und Zweckmäßigkeit von ihm nicht
durcheinander geworfen oder einander beigeordnet. «Wenn wir die
Augen zum Himmel erheben und die wunderbaren Werke Gottes be-
trachten, bewundern wir ihn mehr um der Schönheit willen, die wir

1 Vgl. d. re aed. IV. Kap. i. S. 48.
 
Annotationen