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V. Kapitel

Die Zeichnungen

Von kaum einem süddeutschen Maler des frühen j 6.
Jahrhunderts sind so viele Zeichnungen erhalten wie
von Hans Holbein d.Ä. und aus seiner Werkstatt, und
dieser Fundus an Blättern hat selbstverständlich
immer wieder große Aufmerksamkeit gefunden.1
Standen bis etwa i960 dabei Fragen der Ordnung
einerseits, der Bewertung des Phänomens andererseits
im Vordergrund,2 hat man sich in jüngerer Zeit ganz
auf das Sortieren des Bestandes und auf Fragen der
Verwendung von Zeichnungen in den Produkten der
Werkstatt zurückgezogen.3 Das hat gute Gründe.
Zum einen hat die Arbeit an Bestandskatalogen das
schwierige Problem der Zuschreibung bei Zeichnun-
gen der Zeit um 1500 wieder deutlicher in Erinnerung
gerufen: Nur wenige Zeichnungen Holbeins sind sig-
niert, und nicht alle von diesen Blättern können als
eigenhändig gelten. Zum anderen sind Fragen des
Zustands und der Uberlieferung ungeklärt und müs-
sen es auch weiterhin bleiben. Fast alle Silberstift-
zeichnungen von Holbein sind mit Feder und/oder
Pinsel überarbeitet, und alle seine Zeichnungen wur-
den spätestens im 19. Jahrhundert aus älteren Ord-
nungszusammenhängen gelöst; das ist im Fall des
Basler leichter, im Fall des Berliner Bestandes vorläu-
fig nicht zu klären. Zudem ist inzwischen der Opti-
mismus früherer Jahre vergangen, über das Phäno-
men der zahlreichen Studien nach dem Leben ließe
sich die Zugehörigkeit von Künstlern im allgemeinen
und Holbeins im besonderen zum neuen Zeitalter der
Renaissance begründen. Die Behauptung, in Natur-
studien offenbare sich eine Weltzuwendung, sei die

Abkehr von der im Musterbuch bewahrten Tradition
zu einer individuellen künstlerischen Schöpfung im
Skizzenbuch zu fassen, hat differenzierten Analysen
des Nebeneinanders von Muster und Skizze generell4
und ihres Vorkommens in Holbeins zeichnerischem
Werk Platz gemacht.

Im folgenden seien also zunächst die verschiedenen
Typen von Zeichnung und ihre Verwendung im
Arbeitsprozeß untersucht. Dabei wird die Frage nach
Besonderheiten im Werkstattbetrieb Holbeins gestellt,
soweit sie sich durch Vergleiche mit dem sparsamer
erhaltenen Material anderer Maler beantworten läßt.
Zugleich erlaubt der Fundus an Zeichnungen einen
Blick auf die vielfältigen Zusammenhänge von Ent-
wurf und Ausführung in Sparten jenseits von Tafel-
und Buchmalerei: Zeichnungen für Goldschmiede-
arbeiten, Glasmalerei und Plastik lassen sich unter
den eigenhändigen wie den nicht eigenhändigen Blät-
tern des Basler Konvoluts isolieren. In einem zweiten
Schritt werden Exempel aus den beiden größten
Gruppen, den Reinzeichnungen und den Studien,
untersucht und in ihren Verwendungen aufeinander
bezogen. Erst von da aus wird eine Annäherung an
das Problem möglich sein, ob Holbein im Lauf der
Jahre den Einsatz von Zeichnungen veränderte und
ob er sich je dem annäherte, was die Kunstgeschichte
im Konzept von der »autonomen« Zeichnung faßt:
einer Zeichnung, die nicht Mittel zu einem Endpro-
dukt ist, schon gar nicht zu einem arbeitsteilig erzeug-
ten Werk, sondern die zweckfrei Ausdruck von
Künstlerpersönlichkeit sein darf.5
 
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