ben. Ebenso wie die Pracht einer Blume oder einer Meerschnecke aus sich her-
aus entsteht, ohne schauende Beziehung zur Welt, allein aus dem inneren Trieb
nach eigener Vervollkommnung sich bildet. Die göttliche Gabe des Sehens ist
aus der Gestaltung des Wesens hervorgegangen, nicht um am Schein sich zu
ergötzen, sondern ein gesteigertes Empfinden und Nutzbarmachen der Umwelt
dem eigenen Wesen zu ermöglichen. Nicht das, was wir schauen, sondern das,
was in uns sich regt, zu vervollkommnen, ist Gestaltung wirklichen Seins. Wenn
Goethe sagt: „Denn was innen, das ist außen“, so ist das „Es“, das gleichlau-
fende bildende Wesen in allem damit ausgedrückt. Der Himmel der Sehnsucht
ist nicht das, was wir schauen, sondern kann nur eine Vorstellung als Steigerung
in der eigenen Wesensbestimmung sein. Sehnsucht und Werden der Lebe-
wesen ist verschieden wie ihre Form, trotzdem alles vom selben göttlichen Geist
und vom gleichen Gestaltungstrieb durchdrungen ist.
Dem Orient entgegengesetzt war die Kunst und Religion der Griechen. Im
geistigen Gestalten, in der Architektur war der Grieche ähnlich abstrakt wie der
Mohammedaner, aber im Ausdruck des Lebendigen griff er nach den Formen
der Erscheinung, wie seine Plastik zeigt. Die griechische Kunst war daher eine
Bindung von Sein und Schein und die religiöse Fassung eine Vielgötterei.
Eigentümlich ist, daß die tiefe Erkenntnis von Aristoteles und Plato wohl in
der Kunst des Islam, aber nicht bei den Griechen selbst zu reinem Formaus-
druck geworden ist. Das Gleichlaufende, Bestimmende, das Plato als Wesen
der Form und wirkliches Sein erkannte, ist unmöglich in einem aus Sein und
Schein gemischten Gebilde zu verstehen. Die Philosophie der Griechen stand
nicht im Einklang mit ihrer Religion und Kunst, erstere allein trägt den Kern
in sich, der in Moses, Christus und Mohammed zur Offenbarung Gottes ge-
worden ist.
Das unsichtbare wirkende Wesen im All, als Gottbegriff des Orients einer-
seits, und andererseits die Bindung mit dem Schein und die Vielgötterei der
Griechen, waren die wesentlichen Ausstrahlungen, die sich im Abendlande fort-
pflanzten. Die eine Linie geht vom Griechischen und Römischen zur Renais-
sance und verbindet sich dann im Barock mit der anderen Linie, die vom Orient
ausgeht und im Romanischen und Gotischen ausschwingt. Es ist nicht
schwer zu beobachten, wie die Linie des Orients, die von Christus ausstrahlte,
im Romanischen und im Gotischen nach dem Mystischen tastet, nach dem un-
sichtbaren Wesensinhalt strebt und zum Ornamentalen neigt, während die Linie
der Griechen immer mehr zum Sichtbaren übergeht, bis dann mit Michelangelo
und der damaligen Malerei eine Kunst des Scheins bahnbrechend wurde. Das
war die verhängnisvolle Richtung, die den Geist der Gotik schwankend machte
und bis zu den realistischen, theatralischen Darstellungen des Barock führte.
Als letzte spielerische Welle im Ornamentalen zeigte sich noch das Rokoko,
und damit war das Rhythmisch-Lebendige als Ausdruck in der Kunst versiegt.
39
aus entsteht, ohne schauende Beziehung zur Welt, allein aus dem inneren Trieb
nach eigener Vervollkommnung sich bildet. Die göttliche Gabe des Sehens ist
aus der Gestaltung des Wesens hervorgegangen, nicht um am Schein sich zu
ergötzen, sondern ein gesteigertes Empfinden und Nutzbarmachen der Umwelt
dem eigenen Wesen zu ermöglichen. Nicht das, was wir schauen, sondern das,
was in uns sich regt, zu vervollkommnen, ist Gestaltung wirklichen Seins. Wenn
Goethe sagt: „Denn was innen, das ist außen“, so ist das „Es“, das gleichlau-
fende bildende Wesen in allem damit ausgedrückt. Der Himmel der Sehnsucht
ist nicht das, was wir schauen, sondern kann nur eine Vorstellung als Steigerung
in der eigenen Wesensbestimmung sein. Sehnsucht und Werden der Lebe-
wesen ist verschieden wie ihre Form, trotzdem alles vom selben göttlichen Geist
und vom gleichen Gestaltungstrieb durchdrungen ist.
Dem Orient entgegengesetzt war die Kunst und Religion der Griechen. Im
geistigen Gestalten, in der Architektur war der Grieche ähnlich abstrakt wie der
Mohammedaner, aber im Ausdruck des Lebendigen griff er nach den Formen
der Erscheinung, wie seine Plastik zeigt. Die griechische Kunst war daher eine
Bindung von Sein und Schein und die religiöse Fassung eine Vielgötterei.
Eigentümlich ist, daß die tiefe Erkenntnis von Aristoteles und Plato wohl in
der Kunst des Islam, aber nicht bei den Griechen selbst zu reinem Formaus-
druck geworden ist. Das Gleichlaufende, Bestimmende, das Plato als Wesen
der Form und wirkliches Sein erkannte, ist unmöglich in einem aus Sein und
Schein gemischten Gebilde zu verstehen. Die Philosophie der Griechen stand
nicht im Einklang mit ihrer Religion und Kunst, erstere allein trägt den Kern
in sich, der in Moses, Christus und Mohammed zur Offenbarung Gottes ge-
worden ist.
Das unsichtbare wirkende Wesen im All, als Gottbegriff des Orients einer-
seits, und andererseits die Bindung mit dem Schein und die Vielgötterei der
Griechen, waren die wesentlichen Ausstrahlungen, die sich im Abendlande fort-
pflanzten. Die eine Linie geht vom Griechischen und Römischen zur Renais-
sance und verbindet sich dann im Barock mit der anderen Linie, die vom Orient
ausgeht und im Romanischen und Gotischen ausschwingt. Es ist nicht
schwer zu beobachten, wie die Linie des Orients, die von Christus ausstrahlte,
im Romanischen und im Gotischen nach dem Mystischen tastet, nach dem un-
sichtbaren Wesensinhalt strebt und zum Ornamentalen neigt, während die Linie
der Griechen immer mehr zum Sichtbaren übergeht, bis dann mit Michelangelo
und der damaligen Malerei eine Kunst des Scheins bahnbrechend wurde. Das
war die verhängnisvolle Richtung, die den Geist der Gotik schwankend machte
und bis zu den realistischen, theatralischen Darstellungen des Barock führte.
Als letzte spielerische Welle im Ornamentalen zeigte sich noch das Rokoko,
und damit war das Rhythmisch-Lebendige als Ausdruck in der Kunst versiegt.
39