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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Endell, August: Keramische Arbeiten der Familie von Heider
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Minkus, Fritz: Ein hessischer Bauernstoff ("Beiderwand") des 18. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0144

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Ein hessischer Lauernstosf.

a d

203. Vasen von ITT. v. Fjeiber. (‘O der wirk!. Größe.)

pausgeräthe. Oder ist es nicht doch etwas An-
deres? Ich denke, wir Aünstler wollen in erster
Linie erfreuen, wollen einen tiefen nachhaltigen Ein-
druck machen. Es ist ja selbstverständlich, daß Ge-
brauchsgegenstände praktisch sein müssen, und der
Aünstler wird auch bei solchen reichlich Gelegenheit
finden, seine Phantasie zu bethätigen, aber es wird
außerdem immer kunstgewerbliche Erzeugnisse geben,
die nur schmücken und nur bedingt praktischen Nutzen
haben. Jene Hausfrau will nicht dekoriren. Nun
man kann ihr das Vergnügen lassen. Andere Men-
schen haben das Bedürfniß, sich und ihre Wohnungen
zu schmücken, und sind auch gern bereit für diesen
Schmuck Zeit und Mühe aufzuwenden. Wer von
der Aunst begehrt, daß sie ihn nicht störe, der bleibe
ihr fern. Aunstwerke erfordern immer Liebe, Aufmerk-
samkeit und pflege. Aber dafür geben sie auch dem
verstehenden Menschen so Vieles und so Großes, das
alle Zweckmäßigkeit und Vernünftigkeit der Welt
niemals zu geben vermögen. Wer die von peider-
fchen Gefäße absolut praktisch ausnützen will, der
soll ein Glas Hineinthun; wer aber nicht so hart-
näckig auf seinem Schein besteht, der wird sie auf
einen! Tisch bequem aufstellen, daß er sie jederzeit
betrachten und in die pand nehmen kann, und er
wird die Freude genießen, die jene praktischen Leute
gar nicht kennen, und die uns andere so reich und so
glücklich macht.

204. Zierleiste von A. Weisgerber.

hessischer Kauernskofs
(„Keiderwand") dee 16.
Hahrh. (VonAMmßue.

So gern, mit Recht, die Stickkunst unserer Tage
aus dein reichen Schatze alter bäuerlicher Stickmuster
sich Vorbilder holt, so selten knüpft leider die mo-
derne Textilkunst im engeren Sinne an die Gr-
namentik der Bauernweberei vergangener Epochen
an. — Der im Vergleich zu den heutigen Verhält-
nissen noch weit starrere Aonservatismus des Land-
manns früherer Zeitperioden hatte, wie allen bäuer-
lichen Aünsten, so auch der ländlichen pausweberei
uralte, bis tief ins Mittelalter zurückreichende Mo-
tive erhalten, die, dank der verhältnißmäßigen Pri-
rnitivität der bäuerlichen Webetechnik, durchgehends
in fo hohen: Maaße den technischen Stilanforder-
ungen der Textilkunst Rechnung tragen, daß man
init Fug und Recht sagen kann, sie seien aus der
Technik „hervorgewachsen". — Gerade dieses Cha-
rakteristikum der Bauernweberei macht ihren außer-
ordentlichen, leider meist unbeachteten, zuin mindesten
aber unterschätzten vorbildlichen Werth für die mo-
derne Textilkunst aus, die ja — gewiß mit vielen
rühmlichen Ausnahmen — im Großen und Ganzen
in der Tendenz, die von der Technik hier enger als
auf manchem anderen Gebiet des Aunstgewerbes
gesteckten Stilgrenzen zu erweitern, nur allzu oft
über das Ziel schießt und sich mit der Malerei in
einen von vornherein ungleichen und daher unrich-
tigen Wettkampf einläßt.

Der Stoff, dessen Musterung die Abbildung
auf S. \53 wiedergibt, entstammt der Gegend nörd-
lich vonAassel und gehört dein Ende des vorigen
Jahrhunderts an: diese Datirung resultirte einzig
aus äußeren Merkmalen ■— aus dem inschriftlich
bezeugten Alter der Bettstatt, deren Vorhang er ab-
gegeben, aus den mündlichen Mittheilungen seiner
ehemaligen Besitzer: stilistisch steht er, wie auf den
ersten Blick ersichtlich, mit der Ornamentik seiner
Zeit — abgesehen etwa von der sicherlich zufälligen
Nebereinstimmung seiner Streifeneintheilung mit der
etwa feit den 70er Jahren des \8. Jahrhunderts
immer allgemeiner auftretenden gestreiften Muster-
ung der Seidenstoffe — in keinerlei Verbindung,
vielmehr dürfte die Provenienz seines Musters mit
allein Rechte in weit zurückliegenden Stilepochen zu
suchen fein; eine diesbezügliche genauere Begrenzung
der Entstehungszeit des Motivs wird wohl bei dem
beklagenswerthen Tiefstand der Bauernkunstforschung
| kaum zu wagen sein.

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