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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Halm, Philipp Maria: Nikolaus Gysis
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0027

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Nikolaus Gysis.

Zweck dieser Zeilen war es in erster Linie, die
Allegorien Gysis', die für Plakate, Diplome u. a.
bestimmt sind, zu betrachten. Line kurze Biographie
unter Hinweis auf seine hervorragendsten Gemälde
möge sich hier anschließen.

Nik. Gysis wurde geboren am s.März 18H2 auf
der Lykladeninfel Tinos in Griechenland. Bon feinem
\2. Lebensjahre an besuchte er die Kunstschule von
Athen, absolvirte dieselbe nach sieben Jahren und
bezog dann, unterstützt von einem Stipendium, die
Akademie zu München, um seine Studien zu voll-
enden, wo er sechs Jahre, die letzten beiden in der
Bomponirschule von Professor v. Piloty, verblieb.
Dainals entstanden u. a. das originelle Bild der
„kjundevisitation", ein „Joseph im Berker" und (als
Preisaufgaben der Akademie) „eine Judith" und die
„Siegesnachricht von ^87^Nachdem er die Aka-
demie absolvirt hatte, kehrte er zu seinen Litern nach
Athen zurück, uin alsdann eine Studienreise nach
Bleinasien zu machen. Nach dieser verblieb er noch
zwei Jahre in Athen, wo einige Genrebilder ent-
standen. Bald wandte sich Gysis wieder nach Mün-
chen. Hier schuf er „Den Maler im Grient", „Die
Bunst und ihre Genien", „Die Verlobung der Binder
in Griechenland" und das ergreifendste seiner Bilder,
„Die Wallfahrt", deren Thema er noch zweimal be-
handelte. A)ie schon bemerkt, zeigt sich der Meister
in diesem Bilde als eine tiefpoetische Natur. Wie
das liebeskranke Mädchen, das in der schon von
Ferne winkenden Gnadenkapelle das Votivherz opfern
wollte, um zu genesen, todcsmüde iin Schooßc seiner
Mutter zusammenbricht, ist so schlicht, so einfach ge-
schildert, wie seines Wallfahrt nach Levelaar; aber

weit rührender, weit packender als diese, viel unmittel-
barer erfaßt uns hier das Mitgefühl und die Weh-
muth. — Nach drei Jahren kehrte Gysis nach Athen
zurück, um sich mit Artenns Nasos zu vermählen,
mit welcher er dann in München ein glückliches Heim
gründete. Seit \880 jst Gysis Ehrenmitglied der
Münchener Akademie und seit \882 wirklicher Pro-
fessor derselben. Medaillen und Orden brachten ihm
seine Werke von allen Seiten als einen wohlverdienten
Lohn. Von den zahlreichen Merken seiner Hand
möchte ich nur noch an die duftige „Frühlingssym-
phonie", an „Die Freude spielend mit den Bindern"
erinnern. Ls kann hier nicht der Ort sein, das
reiche Schaffen dieses gottbegnadeten Bünstlers durch
todtes Aneinanderreihen von Titeln und Namen zu
schildern. Wer vermöchte das auch bei der Fülle
des Geschaffenen? Man überblicke nur einmal die
Bollektion, die uns die diesjährige Ausstellung im
Glaspalast bietet! Welche Abwechselung der Themen,
welcher Reichthum der Ideen, welcher Fleiß, welche
Sorgfalt, welche Farbe, welche Poesie ist hier ent
faltet! Lines aber wird uns klar beim Anblick dieser
Fülle. Gysis ist eine durchaus selbständige Bünstler-
natur. Unbeeinflußt von der Außenwelt, frei von
aller Bonvention, ohne Rücksicht auf irgendwelche
Strömungen geht er seine eigenen Wege, einzig und
allein das Ziel verfolgend, das ihm sein Inneres
weift. Und so bietet sich auch das ganze Leben des
Bünstlers, fein Lntwicklungsgang als ein ruhiges,
stetiges Fortschreiten dar, das keine Rast, keinen Still
stand und kein Schwanken kennt. Nur Lines schwebt
ihm vor, die Balokagathia der Alten: „Schönheit des
Börpers gepaart mit unsterblicher Schönheit der Seele."

\5. Fischstudie von p. Bür cf, München.
 
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