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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Gmelin, Leopold: Randbemerkungen zu neueren Arbeiten von Karl Groß
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0096

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U9- Füllungsmotio für Schmiedeisen (flach und gemeißelt); Entwurf von Karl Groß (München) Dresden.

(tfalbe Ausführungsgröße.)

Wort: die Entstehungsbedingungen haben zur Zeit
— wenigstens bei Gegenständen, die außerhalb der
Alltagssphäre liegen — noch nicht den Einfluß auf
die Gestaltung errungen, der ihnen gebührt; es wird
noch zu viel vom „grünen Tisch" (d. h. vom Atelier)
aus über die Köpfe der Unterthanen hinweg dekretirt,
ohne daß man sich nach den Bedürfnissen der letzteren
recht umgesehen hat.

Dieser Außerachtlassung des eigentlichen Lebens-
nervs aller einen; bestimmten Zweck dienenden Ge-
bilde entspringt auch die übertriebene Schwärmerei
für das Studium der Natur — wie man zu sagen
pflegt —, in Wahrheit aber für die Anbringung
pflanzlicher Motive, die mehr oder weniger treu
Wäldern und Wiesen unserer Heimath entlehnt sind.
Entzückt von den für jedes empfindsame Gemüth
unendlichen Beizen der Pflanze, phantasirt sich da
Einer ein Möbelbeschläg zusammen, indem er
pflanzentheile so gruppirt und vereinfacht, daß sie
sich bequem über die Thürflügel eines Büffets aus-
breiten lassen; ob dieses „Ornament" sich solid mit
den Scharnierbändern verbindet, ob es den Zweck
seines Daseins (den Thürflügel zu fassen) verkündet,
bleibt dabei Nebensache!! Man verleugnet den
zwecklichen Ursprung des Beschlägs und benützt das-
selbe bloß als willkommene Gelegenheit, die im
Naturstudium eingefangenen Ideen loszulassen. In
diesem Punkte — wie noch in manchem anderen —
sind uns die alten Meister doch noch „über". Die
schmiedeten das Thürbeschläg so, daß es solid in

(AandbemerßunHM zu neueren
Arbeiten von Aark Grosz.

nter den Vertretern des „neuen
Kunstgewerbes" ist die Zahl derer,
welche auf dem Boden des that-
fächlich Möglichen stehen und in
voller Beherrschung aller Ent-
stehungsbedingungen ihre Werke
in's Leben rufen, nicht eben groß. Die meisten
begnügen sich mit einer oberflächlichen Aenntniß jener
Bedingungen; sie tummeln ihre Phantasie nach Laune
und überlassen es den; ausführenden Meister, ihren
phantasievollen und auch phantastischen Entwürfen
Gestaltung zu geben. Die Erkenntniß, daß der
Gesammtaufbau eines Geräthes, eines Möbels zu-
meist vom Zweck und der allgemeinen Konstruktion
bedingt ist, daß die Durchbildung im Einzelnen sich
nach Stoff und Bearbeitungsweise richtet, ist gar
Manchem noch nicht aufgegangen. Was oft dabei
herauskommt, wenn man den Leuten eine ihnen nicht
mundgerechte Redeweise aufzwingen will, weiß Jeder-
mann; daß es aber auf den Klarblickenden einen
nicht minder peinlichen bis lächerlichen Eindruck
macht, wenn Holz die Sprache des Gußeisens oder
ein Gewebe die der Melmalerei reden soll, — diese
Tinsicht hat in Künstlerkreisen noch lange nicht tief
genug Wurzel geschlagen, um Mahnungen in dieser
Richtung überflüssig erscheinen zu lassen. Mit einem

Annst und Handwerk. 49- Jahrg. Heft 3.


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