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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Lipps, Thorsten: "Kunst" und "Kunstgewerbe"
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Kleine Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0114

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Kieme Nachrichten.

Sichtbarkeit besteht allgemein darin, daß Sichtbares
zum Träger eines Lebens gemacht wird, das wir
in unmittelbarer Anschauung erleben und genießen
können. Es besteht in seiner „Symbolik". Solche
Symbolik bildet aber auch, wie wir sahen, den Sinn
des kunstgewerblichen Erzeugnisses, nur daß bei ihm
die Symbolik zugleich an das Material und die
nrateriellen Leistungen gebunden ist. Es ist Kunst-
werk, genau soweit es dem Künstler gelungen ist,
vermöge jener Arten der Symbolik einen einheitlichen
Lebenszusammenhang uns zu vergegenwärtigen. Und
ebensowenig hindert die praktische Brauchbarkeit,
daß das Erzeugniß des Kunstgewerbes ein Kunst-
werk inr vollen Sinne sei. Ist es nicht nur
brauchbar, sondern scheint es zugleich zu einem sinn-
vollen Gebrauch sinnvoll sich darzubieten, so ist die
Brauchbarkeit ledig ein neues Moment in seinem
ästhetischen, also künstlerischen Wesen.

So sollte man also nicht Kunst und Kunstgewerbe
unterscheiden, sondern man sollte einander gegenüber-
stellen: Künste der reinen und Künste der materiell
bedingten Form. Die letzteren sind wiederum dekora-
tive oder konkret darstellende, d. h. das konkrete Leben
wiedergebende.

Ein Einwand noch ist möglich. kfat sür die
letzteren Künste, hat etwa für Malerei und Plastik
das Material keine Bedeutung? Die Antwort lautet:
Gewiß. Eine Bronzestatue ist etwas principiell
Anderes als eine Marmorstatue; ein farbiges Ge-
mälde etwas principiell Anderes als eine Radirung.
Alle besonderen Stilgesetze, die hier in Frage kommen,
gründen sich schließlich auf die Natur des Materiales
und der Darstellungsmittel, einschließlich der dadurch
bedingten Technik.

Aber die Bedeutung des Materiales für ein
Kunstwerk kann eine doppelte sein, eine positive und
eine negative. Sie ist eine positive bei den Erzeug-
nissen des Kunstgewerbes, eine negative bei den
konkret darstellenden Künsten. Dort bildet die Eigen-
art und die „Eigenwilligkeit" des Materiales die
Basis; hier bezeichnet sie die Schranke. Dort lautet
die Frage: Wie gestaltet sich das in den Formen
des Materiales Dargestellte aus dem Leben des
Materiales heraus?; hier lautet sie: Wie gestaltet

sich dies Leben ohne Rücksicht auf das Leben des
Materiales, wohl aber mit Rücksicht darauf, ob das
Material bestimmte Formen und damit eine bestimmte
Art des Lebensausdruckes gestattet, andere nicht ge-
stattet ? Die Bezeichnung des genaueren Sinnes dieses
5atzes muß aber hier unterbleiben.

>--2. Messinglüster für elektr. Glühlicht. Entwurf von Architekt
w. Bert sch, Ausführung von Roth u. tveigt, München.

Steine Nachrichten.

Vereine, Museen, Schuten, ÄuesieLkungen,
(Wettbewerbe £c.

er Wiener Streit um das Runstgewerbe. Wie
überall das Entstehen, Wachsen, Sichausarbeiten,
Erfolgsuchen mit etwas Neuem unter stetiger, meist
heftiger, vielfach berechtigter Opposition des Bestehen-
den, das durch jenes zunt Alten wird, sich vollzieht,
so kann man in specie auf dem Gebiet des Kunst-
gewerbes auch Stutzen, Zweifel, blinde Begeisterung,
Parteinahme pro und contra beim Auftauchen
von sogenanntem „Neuen" — man sagt auch gern
„Modernen" — beobachten. Und wie das wiederum
überall mehr oder weniger heftig zu Tage tritt, so
bietet neuerdings Wien das Schauspiel eines ganz
besonders hitzigen Gefechtes um die Herrschaft des
Alten oder des Modernen. Man ist versucht, ohne
langes Federlesen Kritik an diesem scharfen Kampf
zu üben, aus Gründen, die, fern von allem persön-
lichen total sachlich, schließlich doch persönlich genommen
werden könnten, weil der Führer der einen Partei
ein Mitglied des Kaiserhauses, Erzherzog Rainer,
ist, dazu ein Mann von unbestreitbaren Verdiensten
in seiner Stellung als Protektor der Museen u. s. w.,
während die andere Partei, die Modernen, nicht im
Stande wären, vor einer außerösterreichischen Jury
von Männern mit Geschmack und Kenntniß der
 
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