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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Braun, J.: Kunstformen der Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0264

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Kunstformen der Natur.

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3^8. Sopvaporte für den »Salon des Poemesc des Palais de l’Elysee in Paris.

Von Pierre Victor Galland.

Munsiformen Ler Matur.

eine der vergangenen Stilperioden hat
einen so starken Bedarf an Natur-
motiven aufzuweisen wie unsere Zeih
keiner anderen fehlt es so gänzlich an
gemeinsamen, konstruktiven Elementen,
letzteres wird uns bald zum Borwurf gemacht, bald
als Verdienst angerechnet; daß aber unser Euchen
nach neuen, unverbrauchten formen viel frisches
Studium, viel lebendige Anschauung bedingt, daß
unser Verhältniß zur Natur eine neue Leite ge-
wonnen hat, wird heute Niemand mehr bestreiten.
Nicht als ob das liebevolle Nachbilden der Blumen
und Aräuter eine moderne Erfindung wäre! Das
verstanden schon die Miniatoren der Gothik vor-
züglich, doch wachsen dort die natürlichen Erdbeer-
und Akeleistauden in zierlicher Abwechslung aus
demselben grünen Grasboden mit den akanthus-
artigen Ornamentblättern oder blühen auch aus
diesen hervor. Die Renaissance fügt Alles was da
kreucht und fleucht, in ihre gesetzmäßig geschwungenen
Spiralranken ein, im leichtfertigsten Rococo spielt das
conventionelle Rahmen- und Muschelwerk eine Haupt-
rolle und der reiche Blumenschmuck ordnet sich ihm
unter. 3m modernen Ornament aber gibt es keine
zuverlässigen Grundformen mehr, — man müßte

denn die Schlangenlinie (den Regenwurm — wie
manche behaupten) als solche betrachten. Die Natur-
form ist hier das Ornament und trägt so zu sagen
die ganze Verantwortung allein. Damit steigt natür-
licherweise das Verlangen nach eigcnthümlich gestalteten
und zu immer neuen formen verwendbaren Motiven;
die früher beliebten reichen nicht mehr aus, der Areis
erweitert sich, das Unkraut feiert wahre Apotheosen.
Man denke nur an den früher verachteten Löwen-
zahn mit seinen kleinen Sonnen und den eigensinnig
gezackten Blättern. Oft genug wäre man in Ver-
legenheit um den botanischen Namen der Pflanze,
die irgendwo dekorativ zur Verwendung gelangt ist.
Moose und Algen, keimende und verdorrte Blätter,
Alles muß herhalten, und auch über Thier- und
Pflanzenwelt hinaus ist nichts mehr sicher davor, als
Motiv angesprochen zu werden.

Die ganze sichtbare Welt hat sich das Aunst
gewerbe bereits dienstbar gemacht; da thut sich uns
eine neue auf, die bisher nur dem Auge des Natur-
forschers durch das Mikroskop zugänglich war, und
auch diesen: erst in Folge der fortgeschrittenen Beob-
achtungsmethoden und -mittel der Neuzeit: das un-
ermeßliche Gebiet der einfachsten niederen Lebens-
formen in den Tiefen der See.

Ein Forscher und Aünstler zugleich erschließt
sie uns.
 
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