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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Bredt, Ernst Wilhelm: Architektonische Zeitbetrachtungen: ein Umblick an der Jahrhundertwende
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0287

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Architektonische Jeitbetrachtungen.

430 u. 43Silberreliefs („Sxektral-Analyse" und „Chemie") an einer Aasettc, von A. Varnesi, Frankfurt a. An

Bodes scharfer Tadel ist also als Aufforderung,
diesem Streben nach dem wesentlich Neuen zu
folgen, begrüßenswert. Wenn Bodes Antik der
Aunst an der Wende des Jahrhunderts überhaupt
energischer, verurteilender kliitgt als die ruhig wür-
digende Bede Muthesius', so nrag das zum guten
Teil feinen Grund darin haben, daß Bode nicht
wie Muthesius sich nur vorzugsweise mit der Archi-
tektur, sondern mit allen Gebieten der bildenden
Aüuste beschäftigt. Bodes Aufsatz ergänzt die
Rede Muthesius. Ts mag uns aber ein gutes
Zeichen für die Zukunft fein, daß die Architektur ein
so viel würdigeres Urteil finden konnte als die
Aunst überhaupt, iu der nach dem richtigen Urteile
beider, im alten Jahrhundert die Malerei die füh-
rende Rolle spielte.

Um unseren Umblick zu ergänzen, mögen hier
einige besonders feine Bemerkungen Bodes über die
Malerei und Elastik erwähnt werden. Wie ihn die
Bilder aus den ersten Jahrzehnten unseres Jahr-
hunderts durch ihre blecherne tote Farbe abstoßen,
so findet er auch die modernen Bilder durch die
kreidige, erdige Wirkung ihrer Hellen bunten Farben
kaum weniger unerfreulich. „Liegt doch iu der schönen
Wirkung der Farbe, also für die Ölmalerei in der
emailleartigen Leuchtkraft der Farben, ein wesentliches
Mittel der künstlerischen Erscheinung eines Gemäldes.
Alle großen Maler der Vergangenheit
haben nicht durch Schmieren und Patzen,
nicht durch Mauern und Versaucen den
Reiz ihrer Malerei erzielt, sondern durch
die Schönheit der Farben als solche." Die
parallele Richtung in der Plastik, die nur die
Formen ihrer malerischen Erscheinung unter dem
Einfluß von Luft und Licht gelten läßt, aber jede
Berechtigung der Monumentalität oder des archi-
tektonischen Ausbaues verleugnet, verurteilt Wilhelm
Bode in glänzender und berechtigter Weife.

Allerdings seinem Gesamturteile kann ich nicht
beipflichten. Er sieht in der Aunst an der Wende
des Jahrhunderts im großen und ganzen nichts
Erfreuliches, sondern ein Gären und Brodeln, ein
Suchen und paschen überall, Anbestimmtheit und
Angewißheit, Regellosigkeit und Formenlosigkeit, die
Stilwidrigkeit als Ursache eines angeblich neuen
Stils.

Wir dürfen uns eben nicht am Unwesentlichen
festhalten, in der Malerei nicht an der Technik, in
der Architektur und im Aunstgewerbe nicht am
Ornament. Rühmen wie verurteilen wird sonst
gar leicht, man braucht uur für oder gegen „die
Marktschreierei zu sein, mit der einer gewissen Rich-
tung von einer übereifrigen Presse das Geleite ge-
geben wird." „Es kommt darauf an," sagt Muthesius,
„den Sinn, der sich in der strudelnden Bewegung
kundgibt, verstehen zu lernen." Und was ist denn,
wenn wir genau Hinschauen, die neue Tendenz?
Auappheit im Ausdruck, siungemäße Form! „Mehr
Inhalt, weniger Aunst, diese Worte, die in: pamlet
dem Phrasen zirkelnden polonius zugerufen werden,
sie verkörpern den Wahlspruch der fortschreitenden
Geschmacksrichtung." „In dieser Sachlichkeitsbestre-
bung müssen sich alle, die in den tektonischen Aünsten
Mitwirken, vereinigen." Und wer die Ausdrucks-
fähigkeit der verschiedenen Stile erkannt, der darf
und muß wohl gar „alle die gehörten Register des
Ausdrucks in den Dienst der modernen Architektur
stellen."

Muthesius rühmt mit Recht, wie unsere tüch
tigsten Architekten bereits wissen, dem Zwecke des
einzelnen Gebäudes klaren und präzisen Ausdruck
zu verleihen.

Münchens neueste Baugeschichte könnte glänzende
Beweise dafür liefern, wie unsere Baukünstler ihre
Sprache beherrschen sei es nun vorzugsweise mit
alten oder mit neuen Formen. Allerdings nicht alle

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