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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Bredt, Ernst Wilhelm: Richard Riemerschmids Schauspielhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0308

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Richard Riemerschmids Schauspielhaus.

462. Münchener Schauspielhaus — Richard Riemersch m i d. — Vorplatz.

der fjanfc, die neuen Sensationen zu unterdrücken und
sagen mehr oder minder schroff „Das ist nicht schön."
— „Das ist einfach scheußlich."

Gewiß läßt sich schöneres und Reicheres mit
den alten formen erreichen von dem, der sie be-
herrscht. Immer werden als allgemein gültige Bei-
spiele des Schönen Werke einer reifen Aunst auf-
geführt werden; denn so sehr subjektiv auch der Be-
griff „Schönheit" ist, das Strenge, Herbe spricht nicht
leicht an. Aber für den Aunstfreund hat gerade die
junge Aunst noch jeweils unendlichen Reiz gehabt.
And es ist ein gutes Zeichen unserer Zeit, daß unsere
Freunde gerade für die künstlerisch-archaischen Werke
besonderes Interesse zeigen. Denn keine Schönheit
wird als vollkommene geboren. Der Mythos von
der schaumgeborenen Aphrodite bleibt deshalb beson-
ders merkwürdig.

Allem jungen Schönen ist eine gewisse Derbheit,
Strenge, Anapphcit eigen. Alan mag an Aunst-
werke jeglicher Gattung oder Zeit, an Mann, Weib,
oder Tier edler Rasse denken.

Lin Werk von dieser Art ist das Schauspiel-
haus Richard Riemerschmids. Ls nimmt deshalb
- wir haben es hier nur mit seiner inneren Aus-
gestaltung zu thun — eine ganz vereinzelte Stellung
in Münchens gegenwärtiger baukünstlerischer Thätigkeit

ein. Ls ist nicht ein Muster reifer, wohl aber zeigt
es den ganzen intimen Reiz werdender Schönheit.
Ls stellt durchaus kein alleinseligmachendes Dogma
einer neuen Gemeinde, einer neuen Aunst dar. Das
etwa gleichzeitig entstandene Haus der Allgemeinen
Zeitung Martin Dülfers, zeigt die geistreiche, künst-
lerische Lösung einer der allerdrängendsten bautech-
nischen Fragen. Und der gewaltige Badbau Hoch-
eders trägt ebenso unverkennbar die Aennzeichen
unseren neuen künstlerischen Strebens nach autoch-
thoner, autonomer, nativer Gestaltung an sich. Neue,
längst ersehnte Perspektiven eröffnen uns alle drei
Werke.

Line gewisse Beschränkung legen sich die Vertreter
beider Richtungen in München auf, sowohl jene
größere, die mit der Freiheit eines sich selbst beherr-
schenden Reichen an die Gestaltungswelt einer schönen
heimischen Aultur anknüpft, — als noch mehr die-
jenige, die in Riemerschmids Schauspielhaus zum
ersten Male in München ein vollgültiges, eigenes
Heim fand. Wann und wo sich einst beide Richtungen
völlig zu einem neuen und schönen Ganzen vereinigen
werden, kann uns vorläufig gleich bleiben. Jeder
aber, der Sinn für künstlerischen Ausdruck hat, wird
mir recht geben, daß gerade durch Riemerschmids
Schauspielhaus unsere Lust am Leben — am Leben

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