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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Ebe, Gustav: Nationale oder internationale Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0288

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H37. Fries von f Franz Aozics.

(Naiionake oder miernationake
(Xunst. (Von Gustav Söe.

^as Kunstschaffen der Gegenwart
wird bei uns Deutschen, vielleicht
stärker als bei den Nachbar-
völkern, von zwei sich befehdenden

Richtungen beherrscht, einmal von
der modernen Kunst, welche sowohl
ihrem Ursprünge nach international ist, als sie auch
in der jetzigen Ausübung über die Grenzen Europas
bis zunr amerikanischen Kontinent hinüberreicht, dann
von dem konservativen Bestreben, auf alle Fälle an
den Errungenschaften unserer eigenen nationalen Ver-
gangenheit sestzuhalten.

Die zu Schlagwärtern der Parteien gestempelten

Bezeichnungen „national" und „international" für

gewisse Richtungen des Kunst-, speciell des Architektur-
schaffens gehören in dieser Bedeutung erst der neueren
Zeit an, aber ihrem Wesen nach waren dieselben
Begriffe zu allen Zeiten vorhanden und selbst dem
fernsten Altertum nicht fremd. Nur daß in den
ältesten Stilperioden in der Regel ausschließlich eine
Richtung vorherrschte, in welcher sich die Entwickelung
selbstverständlich unbewußt vollzog, und ohne einer
feindlichen Gegenströmung zu begegnen. Erst in
der Neuzeit werden die Meinungen für und wider
die eine oder die andere Art von verschiedenen Stand-
punkten aus verfochten und prallen scheinbar unver-
söhnlich aufeinander. Aber auch nur scheinbar, denn
thatsächlich stehen sich die bezeichneten Richtungen nicht
schroff gegenüber, sondern sie ergänzen sich gegenseitig.

Die Entlehnung fremder, von einem anderen
Volke ausgebildeten Kunstformen hat noch in keiner
Periode die endliche Ausbildung einer nationalen
Kunstweise verhindert. Anderseits bedingt das Fest-
halten an der nationalen Etilrichtung keineswegs die
kritiklose Nachahmung der vorhandenen Typen und
den Ausschluß eines zeitgemäßen Fortschritts auf
Grund des historisch gegebenen.

Die Herübernahme der fremden Kunstformen
vollzieht sich bei den Völkern des Altertums und
selbst noch bei den neueren bis zur Gründung der

Akademien und dem Eingreifen der Kunstgeschichte
ohne Überlegung mit einer Art von Naturnotwendig-
keit und wird in ihrer Ausdehnung von den: mehr
oder weniger engen Verkehr zwischen den Völkern
abhängig, der seinerseits wieder durch ihre geographi-
sche Lage und ihre politischen Nlachtverhältnisse be-
dingt wird. Aus diesem Verhalten gegen fremde
Einflüsse ergeben sich beachtenswerte Unterschiede in
den ihnen eigentümlichen Kunstperioden. Ganz
autochthon und unbeeinflußt ist wohl keine, selbst
nicht der ältesten Perioden, geblieben; denn schon die
Anfänge der starren ägyptischen Kunst deuten auf
einen jenseits der historischen Kunde liegenden Zu-
sammenhang mit dem am persischen Meere auf-
tauchenden urältesten Kunstherde hin. — Zm späteren
Verlaufe der Entwickelung stehen sich einerseits die
abendländische Völkergruppe mit Einschluß der von
ihr ausgegangenen Bevölkerung der neuen Weltteile,
anderseits die ostasiatischen Nationen, speciell Chinesen
und Japaner umfassend, als Pole eines gänzlich ver-
schiedenen Verhaltens in der Kunstentwickelung gegen-
über, während die vorder- und mittelasiatischen Völker,
die von uns hauptsächlich so genannten Morgenländer,
zwischen beiden vorgenannten Gruppen eine mittlere
Stellung einnehmen.

Der leicht bewegliche Geist der arischen Völker-
schaften der Mittelmeerländer, unterstützt von den
Vorteilen ihrer den gegenseitigen Verkehr begünstigen-
den geographischen Lage, fand es ganz natürlich, die
Kunstformen der orientalischen Völker für sich zu be-
nutzen. Und in der That ist sowohl die griechische
Periode als die ganze auf diese folgende abend-
ländische Kunstentwickelung nichts weiter als eine
fortlaufende Kette von Übertragungen von Volk zu
Volk, die indes dennoch einige streng national ab
gegrenzte Kreise aufzuweisen hat. So bildeten nament-
lich die Griechen ein echt volkstümliches Kunstideal
bei sich aus, über dessen einigermaßen eng gezogene
Grenzen sie sich nicht herausdrängen ließen. Bald
indes greift die hellenistische und die ihr nachfolgende
römische Kunst über die Schranken eines geschloffenen
Volkstuins hinaus, und amalgamiert sich mit Leichtig-
keit mit dem Geiste fremder, namentlich orientalischer
Nationen, so daß, selbstverständlich immer in der

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