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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Ebe, Gustav: Nationale oder internationale Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7007#0292

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Nationale oder internationale Kunst.

Wohnhausfassaden im Stile irgend einer vergangenen
Blütenperiode der betreffenden Staöt einen sichtbaren
Ausdruck findet. Zu vereinigen find diese Gegensätze
vorläufig nicht, aber vielleicht ist eine Milderung der-
selben denkbar.

So anerkannt international die Moderne ihrem
Ursprünge und ihrer Bethätigung nach ist, da sie
gleichzeitig mit einer neuen Formensprache im alten
Europa und in Amerika auftritt, welche aus frei-
schaffender künstlerischer Inspiration im Sinne der
Jetztzeit hervorgehen soll, so ist sie doch nicht konse-
quent in ihren Forderungen, wenn sie das Fremde,
historisch Gewordene, wie zum Beispiel das Gst-
asiatische als Unterlage gelten läßt und das heimische
aus der Vergangenheit Geschöpfte ohne Prüfung ab-
lehnt. Man könnte in diesem Verhalten eine gesuchte
Ausländerei erblicken, wie sie bei den Deutschen auch
schon in früheren Perioden im Schwünge gewesen
ist. Die Bevorzugung des Fremden findet sich that-
sächlich in der schon erwähnten Nachahmung japani-
scher (Ornamentik, in dem Geschmack an langen,
schlankgebogenen Linien, in dem Überziehen möglichst
ungeteilter Flächen mit Baumzweigen und Wurzel-
geflechten, außerdem in der Bereicherung des Mrna-
mentenschatzes mit einer größeren Anzahl von Blüten-
und Tiermotiven. Diese neuen Kunstmittel sind sämt-
lich keine Erfindungen der europäischen und amerikani- j
schen zeitgenössischen Künstler, sondern sie sind dem
ostasiatischen Formenkreise und zwar dem schon
längere Zeit dort bestehenden entnommen. Will !
man diese zunr Teil recht kenntlichen Anleihen als j
Anregungen bezeichnen, so ist dieser Ausdruck doch
wohl zu euphemistisch. Man hat versucht, die
japanisierenden Linienspiele als Ausdruck des dynami-
schen Lebens in den Baugliedern zu verwerten und
sie in dieser Art gleichwertig mit der Ausbildung

ü

442. Zierstück von Leonh. Hellmuth, Ansbach.

der Gliederungen in den älteren Stilen, namentlich
den antikischen, darzustellen. Die Möglichkeit einer
solchen Auffassung soll auch nicht bestritten werden,
und ebensowenig soll aus der unbefangenen und frischen
Ausnahme des Fremden, soweit sich dasselbe zum
allgemein verständlichen Ausdrucke unserer Ideen
eignet, ein Tadel gegen die neue Richtung hergeleitet
werden. Allerdings ist nicht abzusehen, weshalb die
ostasiatischen Motive mehr geeignet sein sollen, in
den neuen Formenkreis ausgenommen zu werden,
welcher zum Ausdrucke für den Geist unseres Jahr-
hunderts dienen könnte, als die dem heimischen Em-
pfinden entsprungenen oder doch bereits angepaßten
Typen, wenn diese nicht den modernen Ideen fremd
geworden sind und deshalb als veraltet gelten
müssen? Wollte man jede Nachahmung des einmal
Geformten ausschließen, so müßte die Physiognomie
unserer Kunst mit jedem Tage wechseln. Es dürfte
aber doch wohl eine zu starke Forderung an unsere
Künstler sein, wenn inan ihnen zumuten wollte, den
Tagesbedarf in immer neuen Formen aus eigener
Erfindungskraft zu bestreiten.

Eine zweite Quelle, aus der die europäischen
Künstler der neuen Richtung lustig schöpfen, ist die
amerikanische Kunst, und zwar diesmal keineswegs
 
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