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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0134

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Lhronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

2C2 Fries von £). Bef> (Statt, München.

Zeitschriften in den letzten Jahren der Reihe nach gewechselt
haben. Die Knappheit des künstlerischen Ausdrucks hat der
neuen Kunst Eingang zu den Massen verschafft; Schmuck und
Gefüge verschmelzen zn einem künstlerischen Organismus,
wie die alte Buchkunst poesievolle Erzähler verlangte, so stellt
die gute neue ihre Forderungen an den Künstler, indem sie
ihn zu knappem, charakteristischem Ausdruck nötigt. Dieses
erzählende Moment, das z. B. auch das Wesen eines zu
schaffenden Geräts oder des dazu verwendeten Materials fast
vollständig außer acht ließ, ist bezeichnend für das Kunst-
Handwerk des dritten Viertels des {<). Jahrhunderts. Redner
ist der Meinung, daß. etwa ausgenommen das Gebiet des Gold-
schmucks, die neue dekorative Kunst der altern deshalb überlegen
ist. Das Befreien von allem was kleinlich, nebensächlich, un-
ruhig, tritt überall hervor, was vom Redner an zahlreichen
Beispielen erläutert wird. Die beste neue Kunst will gerade
die Funktionen und Zwecke des Möbels, des Geräts re. zum
künstlerischen Genuß erhöhen, indem namentlich Gefüge und
Schmuck organisch miteinander verwachsen; die überlieferten
Schmuckformen werden entbehrlich durch die künstlerisch ge-
klärte Wiedergabe der tektonischen Aufgabe. Im weiteren ver-
breitete sich der Vortragende über Malerei, Plastik und Archi-
tektur der Gegenwart und schloß seinen mit vielem Beifall
aufgenommenen und durch Abbildungen unterstützten Vortrag
mit Vorführung einer Anzahl erklärender Lichtbilder. — -
Gleichzeitig waren gegen hutidert verschiedene neue Lebkuchen-
gebilde von M. Ebenböck ausgestellt, deren Entwürfe von
Künstlern herrühren; die erklärenden Worte von (D. Grautoff
haben wir gelegenllich der bildlichen Vorführung eines Teils dieser
vergänglichen Kunstarbeiten (im Dezemberheft) wiedergegeben.

vierter Abend — den 25. November — Fachabend für
Korbflechtereien. 6of>Korbwarenfabrikant Jul. Mosler sen.
harte eine große Anzahl Flechtereien aller Art — Körbe, Stühle.
Bänke, Blumenbehälter, Matten re. — ausgestellt und gab darüber
eine eingehende Erläuterung, indem er von der vielseitigen
Verwendung der Geflechte, speziell der Körbe ausging und danrr
namentlich die blühende Korbflechterei in Bayern behandelte. Diese
hat in Michelau am Main ihren Ursprung, wo das Flußufer
das Rohmaterial in unerschöpflicher Menge lieferte; bald nahmen
sich Kaufleute in dem nahen Lichtenfels dieser durch iveit-
gehende Arbeitsteilung ausgezeichneten Hausindustrie an und
nachdem einzelne intelligentere Arbeiter in Norddeutschland,
Frankreich, England sich in der Korbflechterei weiter umgesehen

hatten, nahm diese Hausindustrie rasch einen großen Aufschwung,
so daß die Lichtenfelser Flechtwaren heute in Europa, ja in der
ganzen Welt dominieren. — Das Rohmaterial, Meiden, wird
jetzt hauptsächlich aus der Oder- und Weichselgegend bezogen,
auch aus Ungarn und Frankreich; dazu kommen Rohr. Binsen,
Strohborten, Bambus, Zuckerrohr, Pfefferrohr re. von den
gewöhtllichen Körben ging man allmählich zu feinerer Aibeit
und größeren Aufgabeti über; man begann nicht nur Stühle
und Bänke. fotidern auch andere Möbel aus Flechtwerk zu
fertigen, ebenso — ein sehr gangbarer Artikel — Kinderwagen,
die aber schoti zur Zeit der Wiener Weltausstellung (;8?z) an-
fingen, in der Großindustrie eine Rolle zu spielen. -— Später
kamen die Spankörbe und die Umflechtungen von gläsernen
Behältern an die Reihe. Das Sirohflechten ist hauptsächlich
in Mittelitalien (Florenz) und im . Schwarzwald zu Hause,
Binsenslechterei in Italien und besonders in Ungarn. Matten
werden besonders in Mstasien — Ehina, Japan, Siam —
geflochten. — Das älteste Korbmaterial sind die Weiden,
deren beste Vitalitäten Frankreich erzeugt, weshalb da auch die
schönsten Weidenkörbe gemacht werden: bei uns werden brauch-
bare Weiden fast nur noch bei Regensburg und am Main
gebaut. Für feinere Flechtereien wird die Weide gespalten;
jetzt werden die Gerippe meist aus Rohr gefertigt, das dann
außer mit Weiden auch mit Raffiabast, Binsen, Strohborten rc.
umflochten wird. Nachdem Redner dann die Korbflechtarbeiten
vom alten Ägypten, von Lhina, aus dem Sudan durchgesprochen
hatte, ging er noch des näheren auf die mannigfaltigen heute
in Gebrauch gekommenen Flechtmaterialien ein und schilderte
schließlich die Massenfabrikation in Lichtenfels, die wegen ihrer
weitgehenden Arbeitsteilung jeder, auch der kleinsten Änderung
eines Modells die größten Schwierigkeiteti bereite. Dem mit
vielem Beifall aufgenommenen Vortrag folgten noch einige
Erläuterungen seitens des Herrn Gottlieb Bauer aus Lichten-
fels a. M.; danach nahm die Korbindustrie jener Gegend im
Jahre \V)6 in Michelau ihren Anfang. Jetzt werden daselbst
etwa \2 000 verschiedenerlei Körbe gemacht, und es sind dabei
etwa so-25 000 Menschen — jung und alt — beschäftigt; die
Ausfuhr geht meistens nach England und Amerika, das Roh-
material, das früher aus Frankreich kam, kommt jetzt meist aus
Ungarn und aus der Mdergegend. — Fabrikant Mosler hatte,
unterstützt durch verschiedene andere Vereinsmitglieder, eine
große Sammlung der mannigfaltigsten Flechtereien — alte und
neue, europäische und exotische -— ausgestellt und erntete auch
hierfür verdiente Anerkennung.

verantw. Red.: ssrof. £. Gmelin. — herausgegeben vom Bayer. Runftgemerbeverein. — Druck und Verlag von R Gldenbourg, München.
 
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