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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Die moderne dekorative Bewegung in Dresden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0135

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(Vie moderne dekorative (Kewegung
in (Dresden.

Die Entwicklung.

resden kann nicht den Ruhm für
sich in Anspruch nehmen, die
moderne dekorative Bewegung in
Deutschland begründet zu haben,
aber es darf wohl das ohne
Übertreibung von sich behaupten,
daß es ihr eine Grundlage und eine Aussicht gegeben
hat wie keine andere deutsche Ltadt bisher.

Das wirkt zunächst befremdend genug. Denn
Dresden, dasselbe Dresden, das noch im J8. Jahr-
hundert seit den Tagen Augusts des Ltarken, der nach
Winckelmanns Ausspruch „zuerst die Künstler als
eine fremde Kolonie in Lachsen" einführte, eine
Musterstätte deutschen Kunsthandwerks bedeutet hatte,
hat in dem folgenden Jahrhundert in dem kunst-
gewerblichen Leben Deutschlands keine allzu wichtige
Rolle gespielt. Zwar entstand hier schon s873 in
schwacher Nachbildung der Londoner und Wiener
Vorbilder eine „Kleinschule für Modellieren, Orna-
ment- und Musterzeichnen", aus der sich die jetzige
„Kgl. Kunftgewerbeschule" mit ihrem Museum ent-
wickelt hat, aber so sehr diese auch, als in Dresden,
dem Mittelpunkte Lachsens, stehend, für das ganze
Land ihren reichen Legen entfalten konnte, für
Dresden selber, die ausgesprochene Residenzstadt ohne
viel Industrie und Pandel und dementsprechende
Wohlhabenheit, fehlten die großen industriellen An-
lagen, die während dieses Jahrhunderts immer mehr
die eigentlichen Erzeuger eines die ganze Praxis des
Lebens recht und schlecht durchdringenden „Kunst-
gewerbes" wurden. Ganz anders lagen hier die Ver-
hältnisse als in Leipzig, wo Kunstgewerbeschule wie
Museum sich in den Dienst des Leipzigs Ruhm aus-
machenden Buchgewerbes stellen konnten, ganz anders
als in Plauen, dem Mittelpunkt der sächsischen Textil-

industrie, wo ähnliche Anstalten dieser Lpezialindustrie
zu Diensten sein konnten, ja ihnen geradezu an-
gepaßt wurden. Lelbst das benachbarte Meißen ent-
zog sich zum größten Teile dem Einflüsse Dresdens,
da es seine eigene Vorbildungsschule besaß. Kaum
wird sich für Dresden innerhalb dieses Zeitraums
eine einzige kunstgewerbliche Lpezialität auffinden
lassen, ja nur der Name eines ausführenden deko-
rativen Künstlers, der über das Weichbild der Ltadt
oder gar die Grenzen des Landes hinausgedrungen ist.

Doch gerade in diesem Gegensatz dürfte die
Ursache der Umkehr liegen. Gerade dieser bisherige
Mangel an größerer kunstgewerblicher Betätigung,
dies fehlen von Betrieben, die gewisse Felder dieses
Gebietes schon seit langem und darunr auch für
noch lange gepachtet hätten, dieses Nichtvorhandensein
eines bereits ausgeprägten, charakteristischen Stils,
wie er sich für andere Ltädte, z. B. München und
Wien, so leicht Nachweisen läßt, hat hier das erstaun-
lich schnelle und breite Aufkominen der modernen
dekorativen Richtung begünstigt, auf jeden Fall ihr
nicht, wie in anderen Ltädten, als Hemmschuh ge-
dient, indem sie sich zur Lelbstverteidigung in
Kampfpositur setzen zu müssen glaubte. Es brauchte
hier nicht erst eine tabula rasa gemacht zu werden, sie
war schon von selber da, und doch fehlte hier ander-
seits durchaus nicht jene Basis, auf der an allen
Orten die moderne kunstgewerbliche Entwicklung sich
erheben sollte. Dresden war Kunststadt mit Akademie,
Professoren und einer ganzen Lchar frei für sich
schaffender Künstler, und überall ist ja die moderne
Bewegung nicht aus dem Kreis der zünftigen Kunst-
handwerker, die lange genug dies Gebiet für sich
gepachtet hatten, entstanden, vielmehr durch das frische
Vorgehen in der Regel akademisch gebildeter Ver-
treter der hohen Kunst, die neben das alte bisherige
Getriebe ein neues setzten, das selbst bis heute und
wohl noch lange seine eigene Wege wandelt. Auch
in Dresden sind Maler, Bildhauer, Architekten, selbst
Graphiker die ersten Neuschöpfer gewesen. Es sind

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