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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Hildebrand, Adolf: Einiges über die Bedeutung von Größenvorstellungen in der Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0205

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Einiges über die Bedeutung von (Srößenvorstelluugcu in der Architektur.

267. (Eichstätter Brunnenwettbewerb.) Der Leonrodsxlatz, Standort des Brunnens.

meinem Beispiel zu bleiben, als großer Wald be-
handelt. Der Formcharakter der verschiedenen Stile
komnit dabei natürlich sehr in Betracht. Der aus-
gesprochen konstruktive Charakter eines Spitzbogens
läßt sich nicht ausmerzen. Immerhin besitzt jeder
Stil eine von den: konstruktiven Wesen genügend
unabhängige Formsprache, um der romantischen
Übertragung nicht notwendig zu bedürfen.

Cs ist bezeichnend, daß die Antiken diese Ro
mantik nicht kennen. Sie haben jeglichen Gegenstand
als reales Gebilde in seinem eigenen Maßstabe und
Größenverhältnisse zu uits neu geformt. Alles ist
im Hellen Tageslicht gedacht, als Teil der realen
Welt. Auch die italienischen Möbel sind als selbst-
ständige Gebilde gestaltet, nicht als Spiel mit Cr-
innerungsbildern großer Bauten behandelt. Cs werden
dabei eben nur Formen benutzt, welche Funktionen
ausdrücken, nicht aber im Großen entstandene kon-
struktive Bauglieder, oder es erleiden diese eine so
starke Amformung, daß der konstruktive Charakter
in einen ornamentalen übergeht.

Die Wiederholung eines Motivs am selben Bau
in verschiedenen Größen, wie z. B. die unzähligen
verschieden großen Türmchen am Mailänder Dom,
hat noch einen weiteren Cinfluß. Der Turm, der
seine reale Bedeutung als Bau hat, in den man
hincingehen kann und der also in einem real prak-
tischen Verhältnisse zu uns steht und sein Größen-
inaß verlangt, wird in kleinem Maßstabc, bei welchem

alle diese realen Möglichkeiten, diese reale Bedeutung
aufhören, als Turm eigentlich wesenlos, und nur
noch als Bild, als Scheinexistenz wiederholt und
dicht neben den wirklichen realen Turm gestellt.
Bei diesem Spiel mit dein Maßstabe und mit den
Vorstellungsarten wird aber überhaupt das Gefühl
des Maßstabs und der Realität geschwächt. Cs
verläßt uns eine sichere Größenempfindung, ähn-

268. Der Leonrodsxlah III Eichstätt. ('/,,, der wirkt. (Sr )

lich wie es uns in: Gebirge ergeht, wo wir keine
Gegenstände als bestimmte Anhaltspunkte zum Messen
der Cntfernung vorfinden. An Stelle des sicheren
Raumgefühls tritt ein phantastischer Reiz des Unbe-
stimmten, Unfaßbaren, ein ksauch des Unwirklichen.

Aunst und Handwerk. 5^. ^flbrg. Heft 7.

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