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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Gmelin, Leopold: Ausstellung für angewandte Kunst, München 1905, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0020

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Ausstellung für angewandte Kunst, München 3905.

AubsteEunI für angewandt
Müncd^u 1905.)

iebzehn 3ahre sind vergangen feit
München seine letzte große Runst-
gewerbeausstellung in seinen Mau-
ern sah. Wie so ganz anders ist
die Physiognomie der heurigen,
in ihrer ganzen Anlage viel be-
scheideneren, sozusagen nur auf München beschränkten
Ausstellung im Studiengebäude des Nationalmuseums,
die von der „Vereinigung für angewandte Nun st"
ins Dasein gerufen wurde! 3m 3a^re 1888 schien
das eklektische Schaffen beim Übergang zum Ro-
koko auf seinem Höhepunkt angelangt zu sein; weiter
konnte es nicht mehr gehen, da das Nachfolgende -—
„Empire" und „Biedermayerstil" — als Ausbund
von Steifheit, Nüchternheit, Langweiligkeit re., ver-
pönt und verachtet war. And heute? Reine, auch
nicht die leiseste Spur mehr von dem, was damals
in größter Geltung stand! freilich ist die Ausstellung
von einer Partei ins Leben gerufen und durchgeführt
worden, welche ausdrücklich und ausschließlich modern

i) bsierzu die Abb. 8—55; Ortsangaben sind nur bei
Nichtmünchenern gemacht, desgleichen im laufenden Text.

fühlt und schafft, einer Partei, die zwar das Alte
hochschätzt, ihm aber keine Vorrechte mehr einräumen
will. Diese bewußte und energische Abwendung von
der alten Überlieferung wäre trotz allem Freiheits-
drang Einzelner nicht möglich gewesen, und die neue
Richtung hätte nicht Wurzel fassen können, wenn
sie nicht tatsächlich einem Bedürfnis entsprochen hätte
—- womit allerdings nicht gesagt sein soll, daß nun
das Alte gar keine Berechtigung hätte, während alles
Neue bereits approbiert fei. Was hat diese heftige
Reaktion veranlaßt?

Rurz vor dem Ausstellungsjahr \888 waren
der Mitwelt die überreich ausgestatteten Schlösser
Röntg Ludwigs II. geöffnet worden, von denen nament-
lich das Schloß auf der idyllischen 3usel im Chiem-
see die Augen der Neugierigen und Prunkliebenden
auf sich zog. Alle Welt war berauscht, zerknirscht
von dem Abermaß an Pracht; man wurde sich
anfangs gar nicht bewußt, daß all das nur ein
Scheinleben, nur eine pompöse Maskerade darstellte.
Alan erschaute Riesenräume, die geschaffen zu sein
schienen, um Hunderte von festesfrohen Menschen in
sich aufznnehmen, — was doch nie der Hall war -—
und dabei so überschwenglich reich, phantasievoll,
daß das arme Geschöpf homo sapiens, für dessen
Bedürfnisse die Raumkunst doch eigentlich ihre Werke
schafft, solchen Räumen gegenüber
zu einem elenden Nichts zusammen-
schrumpfte; es mußte ihm ja bange
werden vor dieser Art von Gott-
ähnlichkeit !

3etzt wurde man aufmerksam,
sah sich auch sonst um — wobei
man entdeckte, daß anderwärts mit
Erfolg neue Wege betreten worden
waren — und begann allmäh-
lich gegen die Bevormundung der
alten Runstformen sich aufzulehnen,
weniger wohl weil man ihrer über-
drüssig geworden war, als vielmehr
weil man selbständig werden, vor-
aussetzungslos arbeiten wollte und
mit den alten, durch die Über-
lieferung geheiligten Formen sich
nicht mehr solidarisch fühlte.

Der Umschwung konnte sich
nicht von einem 3afyr aufs andere
vollziehen, in München noch schwerer
als anderswo. Man muß sich nur
vor Augen halten, wieviel tüchtige
Rünstler und Runsthandwerker durch
die Aufträge des kunstfreudigen und
doch so bedauernswerten Rönigs

t0- Büfett im Lpeifezimmer von j?aul Lubw. Troost; Ausführung von
ilT. Baltin, Metallarbeiten von Zimmermann & <Io. (311 Abb. 9).

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