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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 58.1907-1908

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Messerer, Ernst: Die Tölzer Bautradition und deren Fortentwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9043#0084

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mq. Iungmayer-Platz am ©ries (Alt-Tölz).

(Die Tökzer (Kauiradikion und
deren LorLentwickkung. )

s ist nicht überflüssig, daran zu
erinnern, daß alle Kunst den
Weg von der Stadt nach dem
Lande inacht. Nicht umgekehrt,
wie uns unsere Bolkskunstschwär-
mer gegenwärtig glauben machen
wollen. Bauernkunst ist nichts anderes als verbauerte
Stadtkunst, mit eingewurzeltem pang an das Alte
gepflegt. Bodenständig ist auf dem Lande daher nur
der jeder Gegend eigentümliche Zweckbau, dann die
Verbindung zwischen ihm und der Eigenart der
Landschaft. Diese Bereinigung des praktischen mit
dem Malerischen ist es auch, die uns das Dorf als
gelegentlichen Lehrmeister einpflehlt. Selbst Berlin
wird nächstens sein „deutsches Dorf" haben, eine
Ausstellung alter dörflicher Bautypen. Dem zuneh-

*) Die zu diesem Aufsatz gehörigen Abbildungen
Us, t(9— (26 sind nach Aufnahmen von Photograph Franz
Beilhack, Bad Tölz hergestellt; z;s— „ach Aufnahmen
vom Verfasser.

menden Interesse für das Dorf, das Kleingemcin-
wefen, fei auch nachfolgende Abhandlung gewidntet.

Mo die jugendlich-wilde Isar aus dem Massiv
der bayerischen Gebirgskette heraustrilt, liegt zu
beiden Seiten des Flusses der Badeort Tölz, be-
rühnrt durch seine Iodquellen. Kein Kurort mit den
entnervenden Auswüchsen des Meltbadelebens, ein
einfaches Gebirgsstädtchen voll Naturwüchsigkeit in
Landschaft, Bevölkerung und Sitten, voll boden-
ständiger Eigenart im Bau von Haus und Hof. Bor-
Jahren allerdings wollten spekulative Zuzügler das
harnronische Bild der malerischen Grtsanlage durch
nrodernstädtische Häuser und marktschreierische Gips-
paläste voll aufgepappter Scheinarchitektur stören. Da
war es kein geringerer als Prof. Gabriel v. Seidl,
der mit fester Hand und eisernem Besen die lügen-
haften Baupläne hinauskehrte mrd Tölz vor dem
Bandalismus der modernen Bauspekulation und
ihrem nichtssagenden internationalen Haus-Schema
bewahrte. G. v. Seidl ist auch bis heute das künst-
lerische Gewissen des Gebirgsstädtchens geblieben;
einsichtige Behörden haben ihn darin weitestgehend
unterstützt. Bon diesen volkstümlich erhaltenen Bauten
und Straßen voll Eigenart und natürlicher Poesie

Aunst und Handwerk. 58. Iahrg. Heft 3.

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