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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 58.1907-1908

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Bredt, Ernst Wilhelm: Robert Engels
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https://doi.org/10.11588/diglit.9043#0149

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2\6. Aus Robert Engels „Tristan und Isolde". (Titelkopf.)*)

KoKert Sngeke.

Aurch unsere massenhaften Gentälde-
ausstelluitgen hatte sich int letzten
Jahrzehnt eine ebenso seltsame als
triviale Bewertung des Wesens
künstlerischer Bedeutung heraus-
gebildet. Das auffallende Thema,
verblüffende Farbenwahl, der Schein virtuoser Technik,
das war für viele Künstler das Mittel, sich wie eine
große Persönlichkeit anschaueir und von der Menge
und ihren gefälligen Führern anpreisen und aus-
rufen zu lasten. So wurde irrt Publikum die Vor-
stellung gezeitigt, der geniale, ja jeder bedeutende
Künstler müsse von Anfang an etwas ganz Auf-
fallendes schaffen — nur über solche Künstler, die
mit einer ganz seltsamen Handschrift gleich das erste
Mal vor die Menge zu treten wüßten, fei zu reden,
nur deren Werke feien wert, gründlich angeschaut zu
werden.

Nachdem aber das Publikum eingesehen, wie
oft es durch Ausstellungssensationen getäuscht worden
ist, nachdem auch genug Künstler aus eigener Er-
fahrung erkannt, daß äußerlich Auffallendes auf nur
gar zu kurze Zeit einigen Erfolg verschaffe, stellte
sich bereits in der Bewertung des künstlerisch Be-
deutenden wie in der künstlerischen Praxis eine Re-
aktion ein, die eben so sehr wie die vorhergehende
Modemeinung der geschichtlichen Erfahrung wider-

*) Die Abbildungen 2\6—232 sind mit freundlicher Er-
laubnis des Verlegers, kferm. Seemann Nächst, Berlin, der
bei ihm erschienenen deutschen Ausgabe von „Tristan und
Isolde" entnommen (in Parenthese die Seitenzahlen).

spricht und deshalb ebensowenig wert sein dürfte
wie der frühere Gradmesser. Vieler hat sich jetzt
nachgerade eine Furcht vor auffallenden künstlerischen
Leistungen, vor eigenartiger, persönlicher Technik und
Handschrift bemächtigt, so daß zweifellos nun gerade
so viel Tüchtiges beginnenden Künstlern unrecht ge-
tan werden dürfte, wie zuvor reiches Lob hohlen
Sensationshäschern gespendet wurde.

Darin liegt eine neue Gefahr — und die Re-
aktion ist, genau geprüft, nur ein neues Extrem.
Die Wahrheit, die uns im Verkehr mit der Kunst
der Gegenwart nur bereichern könnte, liegt in der
Mitte. Das sagt die Kunstgeschichte aller Zeiten,
also auch die, die bis in unsere Tage hinein führt:

Unter den Großeit der Kunst sind viele ztt
nennen, die zunächst kann: irgendwie etwas Auf-
fallendes geschaffen haben — ebenso viele hat es
aber gegeben, die von vornherein etwas ganz an
deres wollten und schufen, als die Künstler bis dahin
gewollt oder geschaffen.

Nach den Anfängen also die Bedeuttmg eines
Künstlers bestimmen zti wollen, würde und wird
wieder und wieder zu durchaus falschem Urteil führen
müssen. Das Gemeinsame aller Großen ist etwas
anderes, Schwierigeres. G r o ß e K ü n ft l e r wurden
die, die beständig sich selb st treu waren,
die fest an der Arbeit blieben, ihren ganz
persönlichen Schönheitsidealen der Form
und d e nt I n h a l t n a ch rein st en Ausdruck 511
gebe n. Nicht ein einmaliges glückliches Schaffen
bezeichnet den Großen — Persönlichkeiten bilden sich,
begaben sich nach und nach, mögen sie jung mit

(Fortsetzung Leite (36.)

Kunft und Handwerk. 58. Iahrg. Heft 5.

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