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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0298

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

Lgronik des ^Wer. Aunsigkwkröeverkins.

Mochenverfammkungen.

Lünfzehnter Abend — den \6. März — Vortrag von
Gewerbelehrer Stephan St ein lein über „handwerksgerech-
tigkeit und Schönheit im Buchgewerbe". Der Vortragende gab
zunächst an Hand von alten Proben und Lichtbildern in knappem
Rahmen eine Entwicklungsgeschichte des Bucheinbandes vom
späten Mittelalter an, namentlich nach der technischen Seite;
dabei war die Tatsache von besonderem Interesse, daß die älteren
Bibliotheksbände sich im ganzen noch heute als die haltbareren
erweisen, von wie maßgebendem Einfluß auf das Aussehen
von Bucheinbänden z. B. die „Bünde" waren, läßt sich an fast
allen vor dem Jahrhundert entstandenen Bucheinbänden
beobachtet!, obgleich auch das Einsägen der Bünde in den
Rücken — wenn der Bund versteckt liegen sollte — schon im
(6. Jahrhundert auftaucht; solche Fälle lagen vor, wenn z. B.
die Bücher in Seide eingebunden wurden, war als Deckel-
material ursprünglich das Holz in Gebrauch (Brettchen aus
Eiche, Linde, Buche), so trat in der Renaissancczeit der Papp-
deckel an dessen Stelle. Jur Dekoration der Einbände ver-
wendete inan bis zum ;s. Jahrhundert nur vertiefte hand-
stempel für die sogenannten Blinddrücke. Die vornehmste Ver-
zierung geschieht durch die im ;s. Jahrhundert aufgekommene
handoergoldung mittels der handvergoldestemxel, die solche
möglichst einfache Formen zeigen sollen, daß die Möglichkeit
gegeben ist, sie für die gleiche oder eine anders kombinierte
Zeichnung wiederholt anzuwenden. Die Muster entstehen ge-
wissermaßen aus der Wiederholung von Einzelstempeln, und
die Steinpel wiederum sollen so beschaffen sein, daß ihre
Wiederholung nicht unangenehm wirkt. Auch hier also fordert
das Entwerfen des Dekors intimste Materialkenntnis, die
Schönheit liegt in der konsequenten Ausnützung der technischen
Forderung. In dieser Hinsicht haben die englischen Meister
das höchste geleistet. Ein wichtiger Faktor für den künstlerischen !
Bucheinband ist das Vorsatzpapier. Um ;S50 kamen die ersten
Marmorpapiere auf, das \7. und (8. Jahrhundert verwendete |
die reizvollen Kleisterpapiere, und gegen Ende des ;s. Jahr-
hunderts kamen von holzmodeln abgedrnckte Papiere in den
Handel, wie wir sie auch oft zum Überziehen von Schutzkartons,
Schachteln usw. aus der Biedernieierzeit verwendet sehen. •—
Der mit viel Beifall aufgenommene Vortrag wurde noch er-
gänzt durch eine reichhaltige Ausstellung von Einbänden, Buch-
binde-Werkzeugen, vorsatzpapieren — von Hand gearbeitet oder
in Lithographie — und endlich durch die vom Vortragenden
und von Buchbinder Bra ito betätigte Herstellung von Kleister-
paxieren. Daß sich in den angeführten Techniken auch sehr
originelle Ideen verwirklichen lassen, bewiesen die gelungenen
Experimente von Prof. Bradl.

Sechzehnter Abend — den 23. März — Vortrag von
h. E. v. Berlepsch-Valendäs über „Monumente englischer
Kunst" — eine äußerst interessante Reiseschilderung mit zahl-
losen Lichtbildern, zugleich eine Widerlegung der vom Redner
als Einleitung verlesenen Prophezeiung von Ruskin, wonach
England „in 50 Jahren" (d. h. ungefähr jetzt) so voll Schorn-
steine sein werde wie der Hafen von Liverpool voll Masten,
während das Land mit Kohlenstaub bedeckt, und jeder Fluß

| ein schwarzes Gerinnsel sei. Tatsächlich hat Ruskin nicht recht
behalten; man findet sogar mehr wie anderswo innerhalb der
englischen Städte große grüne.Vasen, auch auf dem Lande; bei
Schlössern ist man im allgemeinen schonender verfahren wie
bei uns. Redner führte in fast zweistündigem stets fesselndem
Vortrag die gespannt lauschenden Zuhörer vom Norden nach
Süden durch das Land unter kurzer Schilderung der wechseln-
den geschichtlichen Verhältnisse — der markanten Unterschiede
zwischen der romanischen Architektur aus sächsischer und der aus
normännischer Zeit, — der Eigenheiten des englisch-gotischen
gegenüber dem deutsch-gotischen Stil usw. Speziell wurden dabei
berührt: Edinbourgh (Schloß, Häuser aus dem Jahr-
hundert), — Durham (Kathedrale, Schloß, jetzt Universität,
Ufer des Meare), — hork (außen Industrie, innen viel Mittel-
alter; y Tore aus der Mitte des Jahrhunderts, alte Stadt'
mauern); die prächtigen Kirchenruinen von St. Mary's Abbey
(mitten in hork), der wundervollen romanischen Anlage von
Kirkstall Abbey (in der Nähe von Leeds), der prächtigen Abbey
Erowland (unweit peterborough), der Kirche von St.Johns Priory
(in Ehester), — die kleine Kirche von St. Georges in
Manchester, — Ehester (mit seinen prächtigen Holzbauten, alten
Stadtmauern, der Kathedrale), — Lincoln (römische Mauer-
reste, die ;07^ begonnene, im (2. Jahrhundert vollendete
Kathedrale), — pieterborough (Kathedrale: Übergang zur
Gotik), — Ely (wo sich das Sachsenvolk am stärksten gegen die
Normannen gewehrt und in 5—6 jähriger Belagerung gehalten
hat: Kathedrale und Benediktinerkloster), — Cambridge (Uni-
versität), — Gxford (Ejof, Christ Church), — London (west-
minster-Abtei), — Canterbury (Kathedrale). — In seinem Nach-
wort gab der Vorsitzende dieses Abends,(Unterstaatssekretär Prof,
vr. Gg. v. Mayr dem lebhaften Interesse, das der Vortrag
gefunden, wärmsten Ausdruck und begrüßte die Ausführungen
besonders auch als einen Beitrag zu den Bestrebungen, Deutsch-
land und England durch gründlicheres Kennenlernen einander
näher zu bringen.

Nachtrag.

Lusftellungsbesuch in Stockholm. Gemäß dem
Beschluß des letzten Delegiertentags hat der
Verbandsvorort Berlin eine Verbandsfahrt zum
Besuch der Stockholmer Ausstellung vorbereitet,
welche Donnerstag, den {7. (^uni abends 7 Ahr
36 Alin. mit der Abfahrt vom Stettiner Bahnhof in
Berlin beginnt und -— je nach den Absichten der ein-
zelnen Teilnehmer — 7 bis 8 Tage währt. Das pro-
gramm läßt dem Einzelnen größtnrägliche Freiheit.
Fahrpreis München-Stockholm (2. oder 3. Klaffe:
82,20 AI. bzw. 52,90 AI. Für die Strecke München-
Berlin wird Fahrpreisermäßigung erbeten; die Fahr-
preise von Berlin nach Stockholm und auf den schwe-
dischen Bahnen ermäßigen sich je nach der Teilnehmer-
zahl beträchtlich. Anmeldungen müssen bis spätestens
f. Juni beim Vorort, „Verein für deutsches Kunst-
gewerbe", Berlin W 9- Bellevuestr. 3 eingelaufen sein,
— entweder direkt oder durch Vermittlung
der Verbandsvereine. Programme sind im
Sekretariat des Bayer. Kunstgewerbevereins einzu-
sehen.

verantw. Red.: ssrof. £. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Aunstgewerbeverein. — Druck und Verlag von R. Oldenbourg, München.
 
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