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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Heilmeyer, Alexander: Architekturplastik von Julius Seidler
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0328

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702. Lrkerbogen

am Dr. Winkler-ljaus in Innsbruck.

Architekt Anton Bach mann, München.
Relief von Jul. Leid ler, München.

(Ungef. V20 d. w. Größe.)

ArchrteßturpkaM von Hukrue
Kerdker.

Freude an plastischen und male-
cischen Schmuckformen in der 2lr-
chitektur hat sich in München allen
Neuerungen zum Trotz erhalten;
sie ist hier eben in der Tradition
and in deni Bedürfnis des Volkes
gegründet. Das altbaperische Volk hat sich aus der
Zeit der Vorfahren etwas von ursprünglicher
naiver Freude an Farben und Formen bewahrt.
Der Münchener liebt schöne Bauten, Brunnen
und Denkmäler; jeder einzelne setzt seinen Stolz
darein, sein paus zu schmücken. Freilich treibt
dieses Bedürfnis, wo es nicht in die Wege geleitet
wird, manchmal sonderbare Blüten. Es führt oft
zu maßlosen Übertreibungen und zu sinnloser An-
wendung einer Formensprache, deren Zweck und
Bedeutung unserer Zeit gar nicht mehr geläufig ist.
Sinnlos war es, die Fassaden nüchterner Miets-
kasernen mit Stukkaturen zu beladen, die dem italie-
nischen Palaststil oder den Znnenräumen prunkvoller
Barock- und Rokokokirchen entnommen sind.

Sinnlos war die Praxis der Baumeister, welche
aus dein Musterlager der Stukkateure je nach Be-
darf, einzelne Bauteile: Gesimse, Füllungen, Aonsolen,
Aaryatiden, Aartuschen, Schilder, Aränze, Bänder
und Znschrifttafeln entnahmen, um die Wände ihrer
päuser damjt zu bekleben. Diese „Alebeplastik"
stand in gar keinem Zusammenhang mit den: bau-
lichen Organismus. Sie stand dem Bau selbst so
schlecht zu Gesicht, daß der Anblick einer mit Stukka-
turen überladenen Fassade dasselbe Empfinden er-
regte wie der Anblick eines Gesichtes mit einem
struppigen Stoppelbart. Ohne Maß und Takt kommt
man in der Aunst nicht aus. Die dekorierte Archi-
tektur der siebziger und achtziger Jahre in München
ließ davon wenig verspüren. Ausnahmen gab es
allerdings schon dazumal, so z. B. das potel Bellevue,
das Deutsche paus, die Schackgalerie.

Mit der Rückkehr zur deutschen Renaissance be-
schritt man wieder die Wege, auf denen die alten
Meister gegangen waren. Das eifrige Studium der
Tradition führte rasch zu der Erkenntnis eines or-
ganisch bedingten Zusammenhangs zwischen Architek-
tur und Plastik. Zu der Folge gelangte man bald
wieder zu einer sehr geschickten Verwendung dekora-
tiver Schmuckformen in der Architektur. Der plastische

Aunst und Landwerk. 59. Iahrg. Heft U.

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