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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Gmelin, Ludwig: Meurers "Vergleichende Formenlehre des Ornaments und der Pflanze"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0233

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Meurers „vergleichende Formenlehre des Grnaments und der Pflanze".

'393. Aus Meurers Werk: „vergleichende Formenlehre".

(Abt. XV, Tertbild.)

Blatt- und Blütenreihungen aus ägyptischen Gräbern.

dabei nicht nur auf die äußerliche Ähnlichkeit
zwischen Natur- und Aunstformen im Bereich der j
Lachkunst Hinweisen, sondern ganz besonders auf die
innerliche Übereinstimmung bzw. Parallelität hin-
sichtlich der zwecklichen und konstruktiven Bedeutung
einzelner Teile.

Es ist kein Zweifel, daß eine solche „Formen-
lehre" ein gut Stück wissenschaftlicher Betätigung *
darstellt; aber Perspektive und Anatomie sind auch
weit mehr Wissenschaft als Aunst, und doch ist nichts
davon bekannt, daß die ernstliche Beschäftigung da-
mit den: Aünstlertum eines Leonardo, eines Rafael,
eines Dürer Eintrag getan hat. Umfassendes Ao- |
pieren von Aunstformen macht zwar den Aünstler
noch nicht aus; aber zu seinem völligen Aufblühen
und Ausreisen ist eine auf dem Entwicklungsgedanken
beruhende Aunstformenlehre ebenso zuträglich, ja
notwendig, wie das Wasser der Pflanze. Nur darf
man keine Versumpfung eintreten lassen.

Das Werk verfolgt „den besonderen Zweck,
durch vergleichende Zusammenstellung der wichtigsten
ornamentalen Typen der Vergangenheit mit den
ihnen zugrunde liegenden Vorbildern in die Ent-
wicklungsgeschichte der technischen Aunstformen und
damit in die Prozesse des künstlerischen Schaffens
einzuführen, indem es nachzuweisen sucht, wie
und aus welchen Urformen diese Typen entstanden
sind, wie sie sich infolge verschiedenartiger zwecklicher,
konstruktiver, werkstofflicher und technischer Gebote
um- und weiterbildeten, und wie dabei die den
Menschen umgebenden Erscheinungen, namentlich

die der Pflanzen, formgebend wurden". Die
Beispiele dafür entlehnt Meurer hauptsäch-
lich dem klassischen Altertum und dem Mittel-
alter, ergänzt durch solche aus dem ägyp-
tisch-assyrischen Aulturkreis.

Es erfordert eine sehr umfassende Aennt-
nis und eine nie versagende Beherrschung
des ungeheuren Materials, um in die ufer-
lose Formenmannigfaltigkeit Ordnung zu
bringen, die Entwicklungsgesetze aufzu-
spüren und durch schlagende Beispiele ver-
ständlich zu machen. Meurer leitet sein
Werk mit einer Darlegung über Zweck und
Benutzung desselben ein; die dabei gege-
benen Winke und Wegweiser lassen hoffen,
daß das unbedachte Aopieren vermieden
wird. Der Haupt-Lehrzweck des Werkes
liegt in der Einführung des Schülers in die
für das künstlerische Schaffen vorbildlichen
Prozesse; denn „Zusammenhang und Wech-
selwirkung von Zweck- und Aunstform läßt
sich nur an Beispielen anschaulich und be-
greiflich machen". Der folgende Abschnitt über „Ent-
stehung des Ornaments und Eintritt der Pflanzen
in das Ornament" zeigt, wie die ersten Pflanzen
(Lotos, Papyrus) besonders auch ihrer symbolischen
Bedeutung wegen als Schmuckinotiv Verwendung
gefunden haben und gibt in gedrängter Aürze einen
Überblick über den ganzen Entwicklungsgang der
Ornamentik, worauf ein Abschnitt über die Um-
wandlungsprozesse ornamentaler Typen hinüberleitet
zur Hauptsache, der vergleichenden Formenlehre.

Der umfangreiche Stoff ist in 2\ Abteilungen
gegliedert, von denen ein Drittel sich vorwiegend mit
den reinen pflanzensormen befaßt: Blattformen,
Rippensystem, Blattumwandlungen, Blattrelief,
Blüten- und Fruchtformen, Schaftformen, Verzwei-
gungen, Aeimformen, Anospen, Sprossen; zwischen-
durch werden die ältesten ornamentalen Typen pflanz-
licher Herkunft, palinetten, Stelenbekrönungen usw.
behandelt; den Schluß bilden die nrehr oder weniger
auf pflanzlichen Ursprung zurückgehenden Bauglieder:
Blattreihungen (Aymatien), Säulen, Aapitelle, Aandc-
laber.

Meurer stellte sich bei Abfassung seines Riesen-
werkes auf einen Standpunkt, der ihm einerseits den
Überblick über die Aunst bewahrte und ihni ander-
seits den weg zu wissenschaftlicher Erforschung der
Entwicklung des Pflanzenornaments eröffnete. Er
faßte das Pflanzenstudium vom Standpunkt des
Ästhetikers und des Tektonikers an; sein Werk ist
ebensosehr das eines Forschers als eines Aünstlers.
Aber gerade für den Aünstler bringt es manche

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