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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Weiß, Hermann: In 3 bis 12 Monaten Werkmeister und Raumkünstler
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A. H.: Ein Neuer Lehrplan für die Münchener Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0026

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Dabei übersteigt das Angebot von Arbeitskräften
heute schon die Nachfrage in einem solchen Maße,
daß im Zeichnerberufe durchschnittlich eine 5—6 mal
so große Stellenlosigkeit vorhanden ist als z. B. bei
den Handlungsgehilfen.

Auch aus diesem Grunde ist es nötig, daß dem
wilden Schulwesen einige Fesseln angelegt werden.
Die Interessenten wie die Behörden müssen auf

seine üblen Wirkungen hingewiesen und über seinen
Unwert aufgeklärt werden, damit geeignete Maß-
nahmen dagegen getroffen werden können. Ls
darf uns nicht passieren, daß die Errungenschaften
des modernen Schulwesens und sein guter Ein-
fluß auf die kunstgewerbliche Produktion durch die
Machenschaften unverantwortlicher Leute zum Teil
wieder verloren gehen.

Ein neuer Lehrplan für Sie Münchener Kunstgewerbeschule

Der in der Werkstatt erwachsene und in der
Praxis stehende Kunsthandwerker hegt ein gesun-
des Mißtrauen gegen alle „schulische Er-
ziehung zum Kunstgewerb e". Und
dieses Mißtrauen konnte auch der Fach- und werk-
stattunterricht nicht ganz beseitigen. Der Praktiker
denkt ganz richtig, daß man in der Schule nicht für
die Schule, sondern für das Leben lernen soll. Aber
die Schule kann auch nicht bedingungslos nur im
Sinne der Praxis für die augenblicklichen Bedürf-
nisse in Werkstätte und Betrieb ausbilden. Sie
wird immer gewisse allgemeine Grundsätze, sozu-
sagen das Gesetzmäßige aller künstlerischen Bildung
im Auge behalten müssen—, das sich dann allerdings
im Fachunterricht den praktischen Anforderungen
und Bedürfnissen anpassen muß.

Der gegen die Kunstgewerbeschulen so oft
erhobene Vorwurf, daß auch sie „nur Künstler"
ausbilden, war in mancher Einsicht berechtigt. Denn
ihr Lehrplan unterschied sich in den Bildhauer-
und Malklassen nur wenig von dem der Akademien,
wir begrüßen es daher freudig, daß der neue, von
dem Direktor der Kunstgewerbeschule, Professor
R. Riemerschmid, ausgearbeitete Lehrplan den
Zweck der Kunstgewerbeschule darin sieht: „Unter-
richt zu bieten in allen Zweigen der bil-
denden Kunst, welche sich in den Dienst
der Architektur, der Industrie und des
Handwerks stellen."

Der neue Lehrplan gliedert die Schule in eine
allgemeine Abteilung, in eine Fachabtei-
lung und in Werkstätten.

„An der allgemeinen Abteilung ist der
Unterricht vorbereitender, anregender Art. Auge
und Hand wird geschult, es wird geübt, was alle
brauchen, welchem Fach sie sich auch später zu-
wenden. Dabei wird Gelegenheit geboten, die
verschiedensten versuche zu machen, zu denen sich
Lust zeigt. Das Bleibende, Gesetzmäßige
auf dem Arbeitsgebiet der Schule soll hier dem

Verständnis und der Gewöhnung nahe gebracht
werden. Der aus dem Mangel an zeich-
nerischem und handwerklichem Können,
auch aus den besonderen Eigenschaften
des bearbeiteten Materials heraus wir-
kende Zwang zum vereinfachen und zum
Anpassen wird ausgenutzt, um den Begriff
ungekünstelten Stilisierens klar zu machen
und einzuxrägen. Das Besondere an der
Begabung jedes einzelnen wird gesucht und da-
durch gegebenenfalls auch die Wahl eines Faches
herbeigeführt und erleichtert. Jene Gesinnung
wird gepflegt, die zwischen einer unschein-
baren und einer umfangreichen Arbeit
einen wertunterschied nur kennt, insofern
die eine oder andere mit mehr Liebe und
Gestaltungskraft durchgeführt ist."

Bemerkenswert erscheint uns hier der be-
sondere Nachdruck, der auf die Gesinnung gelegt
ist. Man weiß aus der Werkstatterfahrung, wie
der Akademiker und Kunststudent oft ironisch
lächelnd einfachen praktischen Aufgaben gegenüber-
stand, — die er in vielen Fällen nicht einmal be-
wältigen konnte.

Die Leitsätze für die Fachabteilung erscheinen
uns besonders bemerkenswert, weil, wie aus dem
Programm hervorgeht, weniger die reproduktiven
als vielmehr die produktiven, schöpferischen Kräfte
angeregt, geweckt und ausgebildet werden sollen.
Daher das Zurücktreten des bloßen mechanischen
Kopierens gegen das freie Erfinden und Gestalten.
Im Programm steht:

„In der Fachabteilung wird Geschmack und
Erfindungsgabe, die in der allgemeinen Abteilung
in jeder weise ermuntert und herausgelockt werden,
bei ernster und sorgfältiger, für die Praxis
vorbereitender Arbeit durchgebildet. Lin
gewisses Maß'von künstlerischem und handwerklichem
Können wird hier vorausgesetzt, seine Läuterung
und Steigerung ist das Ziel des Unterrichts. Es
 
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