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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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A. H.: Ein Neuer Lehrplan für die Münchener Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0028

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„In jedem Semester werden wenigstens zwei
Wettbewerbe für die ganze Schülerschaft ver-
anstaltet, um zu selbständigem Arbeiten anzu-
regen und um Verbindungen mit der Praxis zu
erzielen.

womöglich werden dabei Aufgaben gewählt,
die vorher mit Vertretern der Industrie oder des
Handwerks vereinbart find und mit Preisen aus-
gestattet werden, deren pöhe ungefähr den durch-
schnittlichen Preisen öffentlicher Ausschreibungen
entspricht. Die erworbenen Preise fallen zur kfälfte
den Preisträgern, zur anderen Hälfte dem Schüler-
ausfchuffe zu."

Auch die Aufnahmebedingungen erleichtern
gegenüber den früheren Bestimmungen dem älteren,
bereits handwerklich vorgebildeten Schüler den Ein-
tritt und Zugang zum Studium an der Kunst-
gewerbefchule. Denn in bezug auf die Vorbildung
heißt es: Vorbedingungen für den Eintritt find:

„Entweder Nachweis handwerklichen Kön-
nens, das genügt, um als Grundlage für eine erfolg-
reiche künstlerischeweiterbildnng zu gelten, durchvor-
lage von Zeugnissen über die Lehr- und Arbeitszeit,
vor allem auch von ausgeführten Arbeiten und ihren
Abbildungen, von Zeichnungen, Entwürfen, wo-
möglich auch von Skizzenbüchern und sonstigen
früher oder später entstandenen versuchen, oder
Nachweis einer auf dem Arbeitsgebiet der
Kunftgewerbeschule erfolgversprechenden künst-
lerischen Begabung durch Vorlage von Zeich-
nungen, Versuchen oder ausgeführten Arbeiten,
die irgend etwas über das Talent aussagen können.
Auf Schularbeiten, namentlich auf solche, die unter
Korrektur entstanden sind, wird dabei weniger wert
gelegt, besonderer wert dagegen auf alle Zeugnisse
eines unwillkürlich oder spielend sich äußern-
den Gestaltungstriebes, sollten sie auch noch so un-
bedeutend scheinen oder bis in die Kinderjahre
zurückreichen, ferner auf alle Versuche, mit künst-
lerischer Arbeit irgendeinem praktischen Bedürf-
nis zu dienen. — Ebenfalls in Mappen einliefern,
nicht gerollt.

Erfolgreiche Ablegung einer Aufnahme-
prüfung, die lediglich den Zweck verfolgt, soweit
als möglich darüber Aufklärung zu geben, ob Be-
gabung vorhanden ist. Mit dieser Absicht werden
einige Aufgaben gestellt, darunter auch solche, deren
vollständige Lösung weit über die Kräfte von
Anfängern hinausgeht. Die Art, wie eine solche
Aufgabe angepackt, welcher Ausweg gesucht und
gefunden wird, um mit einem nicht zureichenden
Können den Schwierigkeiten zu begegnen, ergibt
häufig gute Anhaltspunkte für die Beurteilung

der Begabung, die sich eben auf irgendeine ge-
fällige Art zu helfen weiß.

Die Prüfung erstreckt sich über zwei Tage.
In der Regel wird als Aufgabe gestellt: Zeichnen
oder Malen mit beliebigem Werkzeug nach Pflanzen,
einem Stilleben oder auch nach Teilen eines Raums
(vormittags drei Stunden).

Zeichnen nach einem Stilleben mit Pinsel und
Farbe ohne Vorzeichnung (nachmittags zwei Stun-
den).

Zeichnen oder Malen aus dem Gedächtnis
nach einer (0 Minuten lang auf die wandfläche
projizierten dekorativen Arbeit eines Meisters aus
alter oder neuer Zeit. Das Vorbild will so ausge-
wählt sein, daß eine klare Anordnung sich dem
Gedächtnis leicht einprägt (vormittags drei Stunden).

Zeichnen nach einem Modell, das nicht still-
sitzt, sondern bestimmte Bewegungen wiederholt
(nachmittags zwei Stunden).

An Stelle der beiden Aufgaben des ersten
Prüfungstages kann auch von allen, denen das
Modellieren geläufiger ist, ein Relief in vorgeschrie-
bener Größe nach der Abbildung eines Reliefs von
der Hand eines alten oder neuen Meisters gefertigt
werden.

Am zweiten Tag sind die Aufgaben für alle
die gleichen. Diejenigen, die ein Handwerk
erlernt haben, haben zwar die gleiche Prüfung
wie die anderen zu machen, doch werden ihre Lei-
stungen viel milder beurteilt; wenn trotz großer
Unbeholfenheit im Darstellen Fähigkeit zum Ge-
stalten und Erfindungsgabe ersichtlich werden, so
können bei entsprechend hohem handwerklichen
Können die Leistungen als ausreichend angesehen
werden."

welcher wert auf die handwerkliche Vor-
bildung gelegt wird, geht daraus hervor, daß einem
begabten Goldschmied, Kunstschlosser oder Kunst-
tischler, der sich bereits praktisch bewährt hat, die
Schule jederzeit offen steht, und für solche Kräfte
gibt es auch keine Altersgrenze mehr.

Man sieht es dem neuen Lehrplan an, daß er
nicht bloß aus theoretischen Erwägungen heraus
entstanden, sondern daß er auf praktischen Versuchen
und Erfahrungen aufgebaut ist. Die Grundsätze des
neuen Lehrplanes, die nun auch durch Direktor
Prof. Riemerschmid für die Münchener Kunst-
gewerbeschule Geltung haben, haben sich bereits
an anderen Orten und Schulen, in Dresden und in
Wien, längst bewährt, wir dürfen daher hoffen,
daß auch unsere Kunstgewerbeschule den gleichen
Nutzen davon haben und dieselben Resultate damit
erzielen wird. A. H.
 
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