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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Naumann, Friedrich: Werkbund und Handel, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0140

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Werkbund und Handel

von Zriedrich Naumann

was hat der Werkbund mit dem Handel zu tun? —

Gegenfrage: Gibt es irgendeine Sache, die nichts
mit dem Handel zu tun hat?

Der Philosoph kann nicht ohne den Buchhändler
leben, der Kriegsminister nicht ohne den Getreide-
händler, der Komponist nicht ohne Klavierhändler,
der Architekt nicht ohne Materialgeschäft, der
Tischler nicht ohne holzverkauf, der Strunipfwirker
und Spinner nicht ohne die Baumwollenlieferanten.
Fast alle Schaffenden und Gestaltenden kaufen
vom Handel und verkaufen an ihn.
Im elfteren Falle sind sie abhängig von der Güte
der Stoffe und Halbfabrikate, die ihnen der Handel
liefert, und im zweiten Falle von dem Eifer, niit
dem der Handel sich ihrer Erzeugnisse annimmt,
wer darum die Qualität der materialgestaltenden
Gewerbe und Künste höher heben will, der kann
nicht am Handel Vorbeigehen, will der Handel
dabei nicht helfen, so ist die ganze schöne Absicht
sehr erschwert, ja fast unmöglich gemacht. Deshalb
wendet sich das Jahrbuch des Werkbundes dieses Mal
nicht nur, wie schon öfters, an die herstellende In-
dustrie, sondern besonders auch an den alle Her-
stellung umgebenden, vorbereitenden und in die
Welt bringenden Handel.

Um von vornherein offen und klar vorzugehen,
so ist es nötig zu sagen, daß die eigentlichen Gründer
und Träger der deutschen Oualitätsbewegung nicht
Kaufleute sind, sondern Künstler. Natürlich kann
dabei die Grenze nicht eng gezogen werden, denn
jeder Künstler ist mit einem Fuße selber Kaufmann,
und die großen künstlerischen Werkstätten und Bau-
unternehmungen arbeiten mit Einkaufs- und Ver-
kaufsabteilungen wie nur immer ein Handelsge-
schäft. Aber es ist doch ein Unterschied, ob der
Handel als notwendige Beigabe mit betrieben wird
oder ob er selber Hauptzweck und Lebensberuf ist.
Der Werkbund, so sagen wir, geht aus von Leuten,
die zwar handeln, weil sonst ihre Kunst nicht leben
kann, die aber im Grunde mehr Lebensfreude am
schönen Werk selbst haben als an seiner Unter-
bringung. Sie sind in diesem Sinne Idealisten und
wollen etwas Gutes hinstellen. Ohne diesen
idealistischen Grundzug hat der Werkbund keinen
Sinn. Natürlich können sie nichts verschenken wollen,
denn woher sollten sie es nehmen? Sie hoffen auch,
daß das bessere Werk den besseren Lohn bringt.
Ehe es aber so weit ist, tragen sie den Geist der
tüchtigen Arbeit und der freien

Schaffensfreude in ihr Alltagsleben, weil
es eben ihr eigener Geist fein will,
wenn nun der Werkbund eine Gemeinschaft solcher
Gesinnungen ist, wird er sich grundsätzlich gegen
einen kahlen Profit st andp unkt kehren, der
nur verdienen will, es komme, wie es komme.
Der bloße Geldmensch sagt: ob ich gute oder
schlechte, schöne oder häßliche, schädliche oder nütz-
liche, verdorbene oder gesunde Ware auf den
Markt bringe, ist für mich nur eine Geldfrage;
ich verkaufe und schaffe, was bezahlt wird! Mag
daraus heil oder Unheil entstehen, was geht es
mich an?

Dieser Geldstandpunkt kommt in allen Berufen vor
und ist auch bei Künstlern und Fabrikanten reichlich
genug vertreten. Bei dem einen findet er sich
offen und rücksichtslos, bei anderen aber verhüllt
und umkleidet. Auch sind die Fälle nicht selten,
in denen Schaffende aus Not und um des Geschäfts-
ganges willen sich gewöhnen, ihr eigenes besseres
Oualitätsgefühl zu unterdrücken und einfach etwas
zu machen, was verlangt wird. Diese sind es viel-
fach, die vom Werkbund erwarten, daß er durch
eine bessere Kunsterziehung des Volkes ihnen erst
die nötige freie Luft herstellt zur Auswirkung ihrer
besseren Kräfte.

während aber bei den schaffenden Berufen im all-
gemeinen ein Rest von innerem Pflichtgefühl gegen-
über der Güte der Arbeit an sich übriggeblieben ist,
hat die Lehre vom Geld als dem einzigen Maß aller
Dinge den Handelsstand in einer viel tieferen weife
erfaßt, so daß eine Auffassung, die bei den anderen
mehr nur geduldet erscheint, bei ihm als offenes
Grundgesetz des Arbeitens zutage tritt. Der Kauf-
mann sagt: ich bin kein Hersteller, sondern ein
Vermittler; wollen die Leute Schund kaufen, so
mögen sie es tun!

Selbstverständlich gibt es zahlreiche Kaufmanns-
geschäfte, auf die diese Beschreibung nicht paßt,
entweder weil ihre Inhaber persönlich Idealisten
sind und als solche auch Opfer bringen, oder weil
sie Spezialgeschäfte betreiben, deren Eigentümlich-
keit eben die hohe Güte der waren ist. Diese letz-
teren sind ohne weiteres den Werkbundbestrebungen
verwandt und schließen sich ohne alle Schwierig-
keiten an. Aber die Mehrzahl der Kaufleute arbeitet
für die Masse, für den großen Absatz und will nichts
sein als eben Kaufmann im Sinne des verdienens
um jeden Preis. Das liegt in der Natur der Sache,
und es wird gut fein, sich diese Sachlage von vorn-

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