Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

DOI Artikel:
Naumann, Friedrich: Werkbund und Handel, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0167

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sondern als Glied der Gesamtheit seiner Berufs-
genossen. Liner drängt den anderen. Nun liegt
es uns völlig fern, die freie Konkurrenz
im ganzen zu verwerfen. Sie hat ihren großen
Befähigungsnachweis längst erbracht. Ls steht nur
auch hier so, wie wir schon vorhin an anderer
Stelle sagten: ein großes und richtiges Prinzip
wird am besten geschützt, wenn man nicht blind ist
gegen seine Auswüchse. Die Konkurrenz in Ehren,
aber es besteht ein allgemeines Interesse, daß wir
in unserer Kultur durch die Konkurrenz nicht sinken,
sondern steigen. Die Gesetzgebung hat durch das
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gewisse
Grenzen gezogen. Mehr wird die Gesetzgebung
kaum tun können, aber es kann bei Herstellern,
Käufern und Verkäufern ein Oualitätsgewissen
erzogen werden. Und das zu tun, ist eine der Ab-
sichten des Werkbundes.

Sicherlich hat der Kaufmann ein Interesse daran,
daß viel gekauft wird. Er lebt nicht da-
von, daß schöne waren bei ihm liegen bleiben,
sondern davon, daß abgesetzt wird. Und da er aus
der Praxis weiß, daß die meisten Menschen lieber
zehnmal zwei Mark ausgeben als einmal zwanzig
Mark, so zerlegt er alles in kleine Stücke, geringe
Portionen, wertlosere Ersatzstoffe. In dieser Rich-
tung wird er tatsächlich vom Publikum geschoben,
schiebt dann aber auch selbst weiter, volkswirt-
schaftlich betrachtet, ist das Drängen auf viele kleine
Einkäufe von beiden Seiten ein Fehler, denn es
macht mehr Mühe und vermindert den Nutzen,
aber man muß "zugeben, daß hier ein Zug der Zeit
vorliegt, dessen Urgründe noch tiefer liegen, nämlich
in der stückweisen Bezahlung der Arbeit. Bei der
Mehrheit der Bevölkerung läuft das Geld in kleinen
Zahlungen ein und wird ebenso tropfenweise wieder
ausgegeben, wirklich rechnen aber kann nur der,
der sich für längere Fristen versorgt. Der Bauer
alten Schlages hat einmalige größere Einnahmen
und Ausgaben im Herbst; er überlegt, was er
kauft.

Der Arbeiter aber und kleine Beamte und vor allem
die meisten grauen leben ohne eigentlichen Haus-
haltplan aus der Hand in den Mund. Sie kaufen,
wenn sie Geld haben. Das aber bedeutet, daß
gerade die Dinge, welche zur Ausstattung und
Lebensverschönerung dienen, planlos angeschafft
werden. Daraus folgt der gewaltige Einfluß der
Preisangaben im Schaufenster, die Anlockung, der
Wechsel der Mode und die Stillosigkeit aller Dinge.
Der Konkurrenzkampf der Kaufleute geht darauf
aus, das verfügbare Geld des Publikums möglichst
schnell in ihren Kassen zu sammeln. Je methodischer

das betrieben wird, desto gefährlicher ist es für den
wert der Dinge.

Nun wird sicherlich der Werkbund dem Publikum
sagen müssen: lege die Hand auf den Beutel und
kaufe seltener! Ls soll nicht weniger gekauft werden,
aber weniger oft! Die auszugebende Summe soll
mindestens so groß sein als bisher und sich, wenn es
möglich ist, lieber noch steigern, aber man soll
warten, bis man etwas Ordentliches anschaffen
kann. Der gedankenlose Einkauf muß bekämpft
werden. Ob das viel helfen wird, steht dahin,
sicherlich aber ist das eine erste Vorbedingung
höherer volkskultur.

vom Standpunkt der Hersteller aus liegt die Sache
ganz klar: sie liefern lieber drei gute als sechs
geringere Stücke. Ihr eignes Leben und die Freude
an ihrer Arbeit hebt sich in dem Maße, als das
Publikum langfristig wird. Aber beim Kaufmann
ist das Interesse geteilt. Er hat gegenüber der
Langfristigkeit ein gewisses unsicheres Gefühl und
spricht: zweimal gibt, wer schnell gibt! wenn er
einen vergänglichen Modeartikel verkauft hat, sagt
er erleichterten Herzens: auf Wiedersehen! Er
wünscht, daß viel zerrissen, zerbrochen, verdorben
wird, daß der Umsatz lebendig bleibt. Das wenigstens
ist ein Teil seines kaufmännischen Empfindens.
Um nicht mißverstanden zu werden, müssen wir
hinzufügen, daß im Zeitalter der Maschine aller
verbrauch schneller rollt als früher, wir können
nicht zu den vierzigjährigen Sonntagsröcken der
alten Zeit zurückkehren, und unsere Frauen wollen
nicht lebenslang dieselbe Farbe tragen. Ls steckt
auch im Wechsel etwas Künstlerisches. Nur muß
darin Maß gehalten werden, weil sonst für den
Mann und die Frau mit begrenzten Mitteln nur
noch Wechselware hergestellt wird. Gegenüber
einer zu weit gegangenen Richtung auf billige Ab-
wechselung muß der Werkbund den Grundsatz
solider Dauerhaftigkeit vertreten und muß auch an
den Kaufmann mit der Aufforderung herantreten,
daß er ihm dabei helfe.

was soll der Kaufmann tun? Er soll den Dauer-
wert mehr hervorheben, als es gewöhnlich geschieht!
Er soll nicht immer so tun, als ob auch das Billigste
gut sei. Das kann es nicht sein; es kann einfach nicht.
So viel ich sehe, hat darin der englische Kaufmann
im allgemeinen mehr Offenheit als der deutsche.
Dort wird die Festigkeit gelobt. Auch bei uns kommt
das vor, aber es ist nicht Sitte.

Um gute Ware gut verkaufen zu können, muß das
verkaufende Personal etwas von der
Oualität verstehen, hiermit berühren wir einen der
schwierigsten Punkte des ganzen Problems. Unsere
 
Annotationen