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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Heilmeyer, Alexander: Die Deutsche Werkbundausstellung in Köln, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0313

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Die deutsche werkbun-ausstellung in Köln

(Schluß)

Aus diesen Sonderhäusern Linzei- und Sammel-
ausstellungen ergibt sich ein ziemlich klares Bild der
gegenwärtigen Bestrebungen in unserer Bedarfs-
kunst. In der Ausstellung von Innenräumen, im
kunstgewerblichen Einzelstück erkennt man überall
die Einwirkungen einer sich in allen Äußerungen
modernen Kunstgewerbes fühlbar machenden Ge-
schmackskultur.

Und zwar äußerte sich diese nach zwei verschiedenen
Seiten hin: einmal in der Weiterbildung neuer,
aus der künstlerischen Verarbeitung und zweck-
mäßigen Gestaltung des Materials gewonnener
tektonischer Formen, wie wir sie in kunstgewerb-
lichen Einzelleistungen der Metall-, Glas- und
Schmuckindustrie erkennen, das andere Mal in der
geschickten Anknüpfung und Weiterbildung histori-
scher Stilformen, wie sie hauptsächlich kluge Raum-
disponenten bei der Ausstattung repräsentativer
Innenräume verwenden.

Muthesius hat darin ganz recht, wenn er betont,
daß sich ein neuer Zustand gebildet hat, daß sich
eine Entwicklung langsam anbahnt und der Wille
zu neuer, selbständiger Formung unserer Um-
gebung überall da ist, daß es sich dabei nicht um
bloße individualistische Bestrebungen, um neue
Sensationen und Exzentrizitäten handeln kann,
sondern um ein gemeinsames Fortschreiten auf einer-
einheitlichen Basis, wie sie bereits die moderne
Architektur geschaffen hat. vielleicht denkt Muthesius
nrit der vielfach mißverstandenen Typisierung an
gar nichts anderes, als was in jeder guten Zeit
selbstverständlich war. Im Mittelalter, selbst bis
an die Schwelle der neuen Zeit waren öffentliche
Bauten, z. B. Rathäuser, typische Ausdrucksformen
des öffentlichen Geistes, der die Architektur be-
seelte, aber in den Bauformen stellen sie durchwegs
individuelle Leistungen dar. Jede durch eine ge-
wisse Tradition festgelegte Ausdrucksform ist typisch,
obwohl sie durchaus individuell gehandhabt wird.
Sehen wir unsere alten Madonnenbilder an; der
Vorwurf bleibt ein Jahrtausend genau derselbe,
aber immer noch bietet er der individuellen Ge-
staltung Spielraum. Und so dünkt es uns auch
mit den Formen kunstgewerblicher Bedarfskunst,
mit Möbeln, Beleuchtungskörpern, Gläsern, Tex-
tilien etc. Es wäre einmal eine Arbeit für sich, die
typischen Grundformen aller dieser Dinge, z. B.
das Typische im Ornamentalen, aufzuzeigen, das
sich über Jahrtausende hinüber erhalten hat. wir
Münchener haben ja bereits in dem wiederan-

knüxfen an die alten Traditionen etwas Ähnliches-
wir sind von der Umwälzung moderner Lebens-
verhältnisse, wie sie sich in modernen Industrie-
städten vollziehen, nicht in dem Maße betroffen
worden, daß sich unsere Lebensformen von Grund
aus veränderten, wir haben darum auch alles
problematische in der modernen angewandten
Kunst viel schneller überwunden.

Bei uns vollzieht sich langsam und allmählich wie
eine neue werdende Welt die Umbildung und Um-
wertung aller künstlerischen werte in neue Aus-
drucksformen. Werkstätten und Betriebe haben oft
lange Jahre an bestimmten Aufgaben gearbeitet:
jeder einzelne hat oft unter Verzicht auf Betonung
des besonderen Individuellen seinen Teil zur He-
bung des Gesamtresultats beigetragen; immer da-
nach bestrebt, daß gewisse herkömmliche Formen
immer feiner und besser hergestellt werden. So
werden bei uns heute eine Menge guter Dinge
angefertigt, die nicht durch eine besondere exklusive
Erscheinung als vielmehr durch ihre gediegene
(Qualität auffallen. Im bayerischen Sammelraum
und im Raum des Bayer. Kunstgewerbevereins
fanden sich so viele höchst beachtenswerte Lei-
stungen vor, daß wir bei einem geschlossenen Auf-
treten einer einheitlich gestalteten Münchener Ab-
teilung oder eines Münchener lhauses einen bedeu-
tenden Teil der Ausstellung dargestellt hätten.
Freilich konnte dies ein einzelner oder ein Verein
ohne bedeutenden Staatszuschuß nicht leisten. So
wie die Sache nun einmal lag, mußte sich's der
Kunstgewerbeverein mit einem Raum genügen
lassen, der, nicht einmal besonders günstig gelegen,
von einem Durchgangsraum sackartig abzweigte.
Auch ein ganz raffinierter Ausstellungstechniker
hätte alle die Schwierigkeiten nicht glatt über-
winden können, die bei der Berücksichtigung all
der vielen persönlichen Ansprüche und Anforderungen
eines vielköpfigen Ansstellerverbandes, der mer-
kantilen Interessen verschiedener Firmen, mit un-
endlich verschiedenen Ausstellungsgegenständen, in
einem Raume zu bewältigen waren, wie die Deko-
rationsmaler die Decke, die Glasmaler die Fenster
und die Aussteller die Boden- und wandflächen für
sich beanspruchten, natürlich bestrebt, auf dem ge-
gebenen Platz möglichst viel unterzubringen, war
eine einheitliche Raumwirkung stmr schwer zu er-
reichen. Der Architekt Or. Lömpel hat sich bemüht,
dieser Aufgabe die beste Seite abzugewinnen, eine
Bemühung, die ungefähr denselben Erfolg hatte,


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