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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Mössel, Julius: Eingesandt: offener Brief an den sehr verehrlichen Landesausschuß für Bayern der Deutschen Werkbundausstellung Köln 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0040

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Eingesandt

Offener örief an den sehr verehrlichen Lan-es-
ausschuß für Sapern der Deutschen werkbunü-
ausstellung Köln 1414

(Es war den freundlichen Bemühungen des Leiters der Geschäfts-
stelle des Landesausschusses „Herrn Architekten Btto Baur"
gelungen, wie mir dieser Herr aus Köln am 22. Mai
schrieb, von Herrn Bürgermeister Rehorst die persönliche Zu-
sage zu erhalten, daß meine von unserer hiesigen Jury anstands-
los akzeptierten Ausstellungsobjekte einen Platz in der Aus-
stellung finden.

Diese Zusage erfolgte aus Vorstellungen, die unser verdienter
Geschäftsleiter „Herr Baur" erhoben hatte gegen den Beschluß
der Architekturabteilung prinzipiell Modelle zur Ausstellung
nicht zuzulassen.

Diese Zusage hat Herr Bürgermeister Rehorst nicht gehalten!
Ich erhielt vor einigen Tagen die kurze Mitteilung von Köln,
daß die Modelle an meine Adresse zurückgegangen sind. Die
Sendung ist jetzt eingetrossen und überraschenderweise hat die
Architekturabteilung der Werkbundausstellung auch sämtliche
gerahmten Entwürfe mit zurückgeschickt.

Ich danke dem verehrlichen Landesausschuß und im speziellen
Herrn Btto Baur für die freundlichen Bemühungen.

Nicht versäumen möchte ich, mitzuteilen, daß ich am J9- Juni
tgt4 schon nach Berlin — ohne jede Begründung — meinen
Austritt aus dem Werkbunde angemeldet habe. Die direkte
Veranlassung dazu war, daß das Jahrbuch des Werkbundes
die Publikation, zu der es mich ausgefordert hatte, nicht gebracht
hat. Der Gegenstand meiner Einsendung zu diesem Zwecke
war wichtig, zu wichtig, um hinter Rasseetassen und Eßbestecken,
die schließlich mit dem Verkehr — unter welchem Zeichen das
Jahrbuch erschienen ist — auch nicht mehr zu tun haben, als
mein großes Deckenbild für die neue Stuttgarter Bper, zurück-
gesetzt zu werden.

Ich habe aus dem unabweislichen Gefühl heraus gehandelt,
daß die obere dünne Schicht des Werkbundes nichts durch-
brechen zu lassen gewillt ist.

Zum Statisten eigne ich mich gar nicht.

Und da meine Meinung von den Zielen des Werkbundes an
sich hoch ist, meine Meinung aber über die Führer in keinem
Verhältnis dazu steht, habe ich die Sache als diesen Personen
verfallen, verlassen.

Ich habe schon wiederholt Führer und deren Schrittmacher
öffentlich angegriffen und tue das aus reiner Überzeugung
und aus Bedürfnis auch weiterhin gegen andere. Daß im
Werkbunde durchaus nicht alle an einem Strange ziehen, hat
ja die letzte Aussprache in Röln gezeigt und eine in sich starke,
geistige Bewegung muß das auch aushalten, bedingt sogar
einen großen Grad persönlicher Freiheit. Sonst tun die Indi-
vidualitäten nicht mit.

Ich meine aber, es wäre jetzt genügend der Boden mit Kunst-
dünger bereitet und es könnten die gelernten Fachleute von
Dilettanten und „Sachverständigen" sich endlich und kräftig
emanzipieren.

wir können nicht ewig parasitären Existenzen erlauben, daß
sie uns den Ring durch die Nase ziehen.

Ich bin felsenfest überzeugt, daß mir das jeder gelernte Architekt
z. B. lebhaft nachfühlen kann. Und so auch andere wirklich
gelernte Leute.

Der Riesenkater, der dem mißlungenen Experiment des Jugend-
stiles, dem ureigensten werke der im Werkbunde noch führenden

Herren, gefolgt ist, ist auch von diesen Herren überstanden,
und sie haben ihre neuen Formen ganz wesentlich nicht nur
modifiziert, sondern der verhaßten Tradition angeglichen.
Nachdem sie genügend lange mit sich selbst beschäftigt,
endlich die Bedingungen des Materials erkannten und damit
den tieferen Sinn der Tradition.

Also hat die Vernunft wieder Gberwasser. Und damit sollten
eigentlich die führenden Herren und ihre kompromittierten,
ungeeigneten Mittel verschwinden.

Auch am Rednertisch.

Daß ich, wie viele andere, dem Werkbunde seiner Aufforderung
nachkommend, mich angeschlossen habe, hatte seinen Grund
hierin, daß es schien, es wolle sich die ganze brauchbare Intel-
ligenz im Werkbunde zusammenballen und es würde sich die
Sache in sich schnell reinigen und klären. Nach der Richtung
hin einmal, daß die von der Zeit überwundenen Leute ins
zweite Glied zurücktreten.

Diese politischen Leute aber, zu halten — unter allen Um-
ständen — ist die Idee des Werkbundes, wenn sie ernst genommen
sein will, nicht da.

Der Werkbund pflegt nicht nur die Veredelung der Industrie,
sondern er will der Zeit überhaupt und dem deutschen Volke
den ästhetischen Ausdruck suchen.

Das begreift mehr in sich, als die Leistung der Maschine.

Das trifft vor allem das ganze Bauhandwerk, also die Woh-
nungskultur, die noch „Gott sei Dank" wenig Berührungspunkte
mit Beton und Eisen hat.

Also sollte und wollte sich das ganze Runstgewerbe unter seiner
Fahne sammeln. Der kürzlich erfolgte korporative Beitritt der
gesamten Deutschen Runstgewerbevereine ist wohl noch in
frischer Erinnerung, vielleicht ist eine solche Nivellierung —
Allumfassung des Werkbundes das geeignete Mittel der Zeit,
den Werkbund zu entgiften.

Zum Schlüsse darf ich noch hervorheben, daß meine Austritts-
erklärung l a n g e v 0 r der Nichterfüllung der unserem Herrn
Geschäftsleiter erteilten Zusage des Herrn Bürgermeisters
Rehorst — meine von der hiesigen Jury akzeptierten Modelle
zu plazieren — erfolgt ist.

Die Nichterfüllung der Rehorstschen Zusage trifft den verehr-
lichen Landesausschuß, dessen Arbeitsausschuß ich angehört
hatte, ebenso wie mich.

Bb die „praktischen" bzw. prinzipiellen Gründe der Kölner
Entschließung die Nichtanerkennung des Urteiles der hiesigen
Jury rechtfertigen, weiß ich nicht.

Jedenfalls ist der Vorgang nicht nur für mich, sondern auch
für den verehrlichen Landesausschuß für Bayern recht unan-
genehm.

Jedoch rechtfertigt das Vorgehen der Kölner Maßgebenden,
die so viel Platz für die \2 Apostel — nach dem Programme
der Ausstellung sogar für Nichtmitglieder — hatten, nachträg-
lich im Übermaß meine aus anderen vorgenannten Gründen
lange vorher erfolgte Austrittserklärung.

Den persönlichen Bemühungen ihres Geschäftsleiters nochmal
meinen aufrichtigsten Dank.

In vorzüglichster Hochachtung

Julius M ößel.

Anmerkung, wir geben diesem Eingesandt nach unserem
Grundsatz, hier unsere Mitglieder zu Wort koinmen zu lassen,
Raum, ohne jedoch zu dieser Angelegenheit Stellung zu nehmen.
Für sein Eingesandt ist der Autor selbst verantwortlich. D. R.

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