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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Dirr, Adolf: Vom Hausgewerbe im Pamir
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0079

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vom Hausgewerbe im Pamir

von vr. fl-. Vier, Rustos am Kgl. Ethnogr. Museum

Durch Herrn Rickmers, der im Jahre die

Pamirexpedition des D.-O. Alpenvereins leitete,
ist das Kgl. Lthnogr. Museum in München in den
Besitz einer J65 Nummern umfassenden völker-
kundlichen Sammlung der Darvaser Tadschiks
(Tad2ik) gelangt, die dann noch durch Tausch um
einige Nummern vermehrt wurde.

Bei der Armut der Pamirbergvölker an Kulturgut
ist es von vornherein ausgeschlossen, mit einer
Sammlung aus diesen Ländern ein reiches buntes
Bild zu bieten. Alle Reisenden stimmen darin
überein, daß die materielle Kultur der TadschikH
eine recht beschränkte und ärmliche ist. Der Tadschik
ist ausschließlich Ackerbauer, und die Viehzucht hat
für ihn nur eine sehr sekundäre Bedeutung. So
ist auch Nahrung, Gerät und Kleidung des Tadschik
äußerst dürftig. Eigentliche Gewerbe gibt es nicht;
das Hausgewerbe genügt, um das wenige, was
er braucht, herzustellen, soweit er sich nicht durch
russischen Kultureinfluß schon mehr Bedürfnisse
angewöhnt hat, was aber wohl bloß bei den Be-
wohnern der Ebene der Fall sein wird. Ganz kommt
ja auch der Bewohner des eigentlichen Gebirges
ohne fremde Hilfe nicht aus. So holt sich jeder Tad-
schik sein Kupfergeschirr aus Buchara, Samarkand,
Kokand, resp. aus Afghanistan, Kaschgar oder Per-
sien. Anderes von dem, was er nicht aus eigener
Kraft Herstellen kann, machen ihm Wanderarbeiter
auf Stör. „Der Filigranarbeiter zieht von Dorf zu
Dorf, wo man seiner bedarf, bleibt er. Er wird
gewöhnlich vom Auftraggeber verpflegt und be-
hält als Lohn für seine Arbeit den dritten Teil des
Silbers, das er, meist in Form von Münzen, zur
Verarbeitung bekommt."?) Auch Holzgeschirre ver-
stehen nicht alle Tadschiker selbst zu verfertigen.
Nach Semenow lassen sich die Sarafschaner diese
Gegenstände von wandernden Handwerkern aus
den Samarkander Kischlagen Herstellen.?) viele von * 2

*) Dies ist nach A. A. s e NI e n o w (Etnograficeskie ocerki
Zarafsanskichgor j Darvaza, a. a. ®. J905, S. 20) der Name,
den sich die Bewohner des (Überlaufs des Gxus, sowie die
iranische Bevölkerung der bucharischen Ebene selbst beilegen,
lind S. 23 ist ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Leute
den in der ethnographischen Literatur noch üblichen Namen
Galtscha nicht kennen.

2) Zu diesen Angaben vgl. A. v. Sch u l tz , Die Pamirtadschik
(veröffentl. des Oberhess. Museum und der Gailschen Samm-
lungen zu Gießen), Gießen (9(4, 5. 23, 32, $6.

3) Rischlag heißt eigentlich Winterdorf, Winterlager; in den
hier in Betracht kommenden Gegenden aber bedeutet es ein-
fach Dorf, besiedelter Grt.

den Bewohnern der eben genannten Orte beschäf-
tigen sich überhaupt nur damit, daß sie in den Bergen
umherwandern und in den Dörfern aus eigens zu
diesem Zweck hergerichteten Holz Geschirr ver-
fertigen. Doch machen sich die Tadschik der Berg-
kischlage von Karategin, Darwas und von jenseits
der Hisarkette ihre Holzsachen selbstH.

Die Verarbeitung des Holzes ist ausschließlich
Männerarbeit. Am meisten wird Nußbaumholz
benutzt. Zentrum dieses Zweiges des Hausfleißes
ist Pischcharw (am gleichnamigen Fluß, einem
Nebenfluß des pändsch) in Darwas, das dem ganzen
Karategin und Darwas Holzgeräte liefert. Alle
Pischcharw-Arbeiten sind schwarz, rot und grün
bemalt und ganz mit Schnitzereien bedeckt?),
wiedies Holzverarbeitung, so ist auch die des Tons
den Sarafschaner Tadschiken unbekannt, bloß die
Iaghnobi können töpfern und versehen mit ihren
Produkten ihre Nachbarn, die übrigens auch von
Samarkand und Pändschakent ihre Ware beziehen.
Die Leute in Karategin aber, die Darwaser und
die von jenseits der Hisarkette töpfern selbst, und
zwar ist das ausschließlich Sache der Frauen.
Drehscheibe und Glasur sind unbekannt, man
brennt das Geschirr an der Feuerstelle im Hause.
Semenow, dem ich diese Angaben entnehme (S. 39)
lobt die Präzision der Arbeit, die Regelmäßigkeit
der Form und die Haltbarkeit dieser bescheidenen
Keramik. Leider ist in der Rickmersschen Sammlung
die Töpferei gar nicht und die Holzbearbeitung nur
durch sehr wenige Schuhe vertreten. Der Holz-
schuh?) heißt bei den Tadschiken kaf§. Er ist eigent-
lich ein Überschuh. Man zieht ihn im Winter und
im Frühjahr, also zur Zeit des Eises und des größten
Schmutzes über die Stiefel anH. von dem Holz-
schuh unserer Bauern im Gebirge und dem sabot
der Franzosen weicht der des Tadschik beträchtlich
ab°), einmal, weil er einen sehr hohen Absatz und
dann auch unter dem Mittelfuß, ungefähr beinr
Ballen noch zwei weitere ebenso hohe Absätze hat.
Der ganze Schuh ist aus einem Stück geschnitzt.
Es scheint mir, als ob im kaf§ zwei verschiedene
Dinge vereinigt wären, nämlich der Schuh und die *)

*) Semenow a. a. D. S. 39.

-) Ebenda 5. 90.

3) Abbildungen bei v. S ch u l tz a. a. ÖX, Tafel 8, Fig. \; Se-
menow, Tafel 7, Fig. 9 u. \

4) v. Schultz a. a. G. S. 35.

3) Doch sagt D. D I u f s e n , Through the unknown Pamirs,
London P)04, er sei mit dem der jütländischen Bauern identisch.

Aunft und Handwerk. S5. gahrg. Heft 4 u. 5.

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