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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Steinlein, Stephan: Krieg und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0114

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Lugen Julius Schmid

Krieg und Kunst

von Stephan Steinlein, München

wenn man alles sammeln würde, was im letzt-
vergangenen Halbjahr bis zur Stunde in Monats-
heften, Wochenschriften und Blättern für den Tag
und die Stunde über „Krieg und Kunst" geschrieben
worden ist, das gäbe wohl mehr als einen statt-
lichen Band im Format der alten Lutherbibel, und
auch inhaltlich würde weltliches und Unweltliches
wie im Buch der Bücher nebeneinander in bunter
Folge sich mischen. Düstere Prophetie würde, wie
dort, neben großen Verheißungen zu finden sein
und offen, wie zwischen den Zeilen, Furcht und
Hoffnung vor dem Kommenden, würde man
aber in den gleichen Zeitschriften und Tages-
blättern vor den Augufttagen des Wahres
jene Abhandlungen aufsuchen, die über Kunst und
Kunsthandwerk berichten, so fände man im wesent-
lichen die Hoffnungen und Klagen alle wieder und
nur in der Tonart ließe sich ein Besonderes nicht
erkennen. Mit den Tagen des Krieges steigern
sich Empfindung und Ausdruck nach den beiden
Polen der schlimmen Befürchtungen und gläubigen,
Hoffnungsfrischen Erwartungen, was vor den
Kriegslagen dunkel umschattet zwischen den Zeilen
braute, mit verhaltenem Mißbehagen nur halblaut
sich hervorwagte, das scheute nachher vor den
heftigsten Anklagen, vor Bitterkeit und Zorn nicht
mehr zurück. Der Kriegsatem wehte erhitzt auch
in den stillen Stuben der Männer der Feder,
trieb sie an, leidenschaftlicher als vordem, ihr Za
oder Nein hinauszurufen. Ankläger und Ver-
teidiger machten sich hervor, es traten Apostel und
Propheten auf, die Blicke der einen rückwärts,
der andern in fchiminernde Zukünfte gerichtet.
Zwischenhinein tönten die Kühleren ihre besonne-
ren Weisen. So mischen sich im Thor die Stimmen

aller Temperamente je nach Umfang begrenzter
oder weiterer Möglichkeiten der Sehweite und
Urteilsmöglichkeit. Einmal wird der Krieg als
der große Befruchter und Befreier gepriesen, nach
glückhaftem Ausgang ein unerhörter Aufstieg pro-
phezeit und alle vergangenen Epochen werden als
Zeugnis dafür in überhelles Licht gerückt. Andere
nützen die gleichen geschichtlichen Perioden, um
das Gegenteil wuchtig zu erhärten.

Einmal ist es der glückliche Ausgang des Krieges
von ^870 gewesen, dem wir alles vorwärtstrei-
bende im guten Sinne zu danken hatten, und dann
wieder heißt es, nichts davon sei zu glauben und
noch weniger analogisch folgernd von einst auf
morgen daraus zu erhoffen. Die Milliarden sind
dem einen ein Fluch gewesen, indes sie dem andern
das Füllhorn der Gaben allen Fortschritts be-
deuten, und neue Hoffnungen knüpfen sich an eine
größere Zahl künftig zu erwartender Kriegsent-
schädigungen.

vor acht Tagen wurden die Sätze gedruckt: „Für
den Fall eines vollständigen und erdrückenden
Sieges und eines daraus sich ergebenden dauer-
haften Friedens ist es noch gar nicht ausgemacht,
daß in der Kunst davon viel zu spüren sein wird,
vergessen wir nicht, daß die klassische Epoche
deutscher Dichtung zugleich eine der innern Zer-
rissenheit und politischen Erniedrigung Deutsch-
lands war; und daß der ungeahnte Aufschwung
und die Einigung des Deutschen Reiches nach J870
keine merklichen Spuren zurückgelassen hat; daß
sogar höchst merkwürdigerweise mit dem Erstarken
des nationalen Gefühls und dem berechtigten Stolz
auf die steigende Macht und das wachsende An-
sehen des Vaterlandes zugleich in der bildenden

»nd LsndM.rk M. 3at)rg. btft 6.

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