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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Heilmeyer, Alexander: Hausplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0175

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Kopfleiste von Lugen Julius Schmid

Hausplastik

Architektur und Bildhauerkunst ergänzen einander;
sie sind ihrem Wesen und Sein nach nahe ver-
wandt. Daher sind sie auch im gewissen Sinn auf-
einander angewiesen; die letztere mehr auf die
erstere als umgekehrt. „Denn die Baukunst bedarf
nicht unbedingt der schmückenden Zutat des Bild-
hauers, um ihre eigentliche Aufgabe der Raum-
gestaltung zu bewältigen. Sie kann ihre Schöp-
fungen ans sich heraus allein zu vollkommenen
Werken der Kunst machen, hingegen kann der
Bildhauer der Baukunst nicht entbehren." Er
braucht sie, um seine Körperknnst entfalten zu
können, er bedarf ihrer als Hintergrund. Sie
bildet gleichsam den fruchtbaren Nährboden, auf
dem die Plastik wächst und gedeiht. Die Archi-
tektur gewährt der Plastik günstige Situationen
und Raum zur Entfaltung ihrer Formenwelt.

Der Bildhauer kann innerhalb architektonischer
Raumgebilde sein inneres Erleben erst frei ent-
falten. „Daher auch in allen großen Zeiten die
Baukunst ausgiebig den Reichtum des Bild-
hauers benutzte, ihren Werken eine Steigerung
und Vertiefung zu geben, und sie erst recht zum
lebendigen Ausdruck ihrer Zeit zu machen. Ganz
besonders ist dies der Fall beim plastischen Haus-
schmuck, der bei alten Bauten immer organisch
aus dem Gefüge der Architektur herauswuchs
und Sinn und Bedeutung des Hauses mächtig
steigerte.

An alten Häusern können wir dieses Zusammen-
gehen und Zusammenwirken der beiden Künste am
besten verfolgen. Zudem bei solchen Werken die
Schöpfer meist Baumeister und Bildhauer in einer
Person waren, wie z. B. in München die Ge-
brüder Asam. An ihrem Hause an der Sendlinger-
straße und an der von ihnen erbauten Zohannis-

kirche sehen wir darum auch ein vollständiges Zu-
sammenwirken der baukünstlerischen und bildhaue-
rischen Gedanken. Das Bildwerk wächst gleichsam
aus der wand, aus der Architektur heraus, wie der
Ast am Baum, wie das Blatt aus den Zweigen
und wie die Blüte am Stengel. Die Raumgestal-
tung ist von innen nach außen so weit getrieben,
daß die Oberfläche mit all ihren daraus hervor-
quellenden Buckeln nnd Flächen als letztes Ergebnis
dieser Gestaltung erscheint. Ganz im Gegensatz zu
der späteren Fassadendekoration an unseren Miet-
häusern der achtziger Zahre des vorigen Jahr-
hunderts, wo die Verzierung mittels Zement an
die wand geheftet wurde — daher man sie mit
Recht „Klebeplastik" nannte. Bei der Fassade des
Asamhaufes haben wir das Empfinden als wenn
die Verzierungen und Reliefs organisch mit der
Architektur verbunden und gleichsam aus der wand
hervorgewachsen wären.

Mit feinem Gefühl sind auch gerade die Stellen
mit Skulpturen geschmückt, wo die Struktur des
Bauwerkes eine besondere Betonung zuläßt: Erker,
Portal und Fensterumrahmung. Hierin zeigt sich im
besonderen die Weisheit des Baukünstlers, daß
auch der bildnerische Schmuck gerade an der rechten
Stelle zur Wirkung gelangt. Es kommt genau dar-
auf an, daß die Bildwerke nicht nur am richtigen
Orte, am rechten Platz ins günstigste Licht zu stehen
kommen, sondern daß sie auch das richtige Maß
im Verhältnis zur Höhe des Baues und einzelner
Bauglieder erhalten.

Das besondere Empfinden des Bildhauers muß
daher bei der Hausplastik tektonisch eingestellt sein,
wenn er von Haus kein feines baukünstlerisches
Fühlen mitbringt, wird seine Mitarbeit dem Archi-
tekten wenig fruchten.

Kunst und Handwerk. 65. Iahrg. Heft 9 u. JO.

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