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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 66.1915-1916

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Baudissin, Eva von: Zur Ausstellung "Frauenluxus von Einst"
DOI Artikel:
Karlinger, Hans: Geschichtliches vom Frauenluxus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7140#0213
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ihre Farbe oder das absolut Zweckmäßige ihrer
Gestaltung wirkten, wird sich mancher reuevollst
ähnlicher Sachen erinnert haben, die bei ihm un-
beachtet und ungeschont in Schränken und Winkeln
verkommen, und sie eiligst hervorsuchen.

Stets wird von einer kleineren, gewählten Aus-
stellung ein nachhaltigerer Eindruck bleiben, als von
der Massenzufuhr. Und so mag diese Ausstellung
vorbildlich werden — sie hat gezeigt, was uns ge-
fehlt hat, oder vielmehr: was wir zuviel hatten!

Geschichtliches vom Zrauenluxus

von Dr. Hans Karlinger

wir sehen und bewerten heute den „Luxus" anders
als vor hundert Jahren. Festgepränge und prunk-
jagden, Augenpracht und öffentliche Schaustellun-
gen nehmen keinen größeren Platz mehr ein, als
ihnen traditionelle Erinnerung erlaubt. Der weg
zum modernen Luxus ist eindeutiger und kürzer,
mehr von der Individualität bestimmt. Der Aus-
druck des Überflusses geht nicht mehr so sehr von
der Arbeit, die darauf verwendet wurde — das
klassische Beispiel dafür sind die alten Spitzen —,
als von dem materiellen wert des Gegenstandes
aus. Das grob durchschnittliche Bedürfnis nach
Augenblickseffekten, z. B. in dem Ersatz des echten
Brillanten und seinem großen Abnehmerkreis,
charakterisiert leider den Luxus von heute viel
mehr wie etwa die alte Liebesmüh' der gewerb-
lichen Feinarbeit. Ls könnte scheinen, als ob im
modernen Luxusleben eine latente Revolte gegen
die Jahrhunderte der Kleiderordnungen, die jedem
Stand ihr Höchstmaß an sichtbarem Überfluß ge-
statteten, lebte.

Lin Gedanke, der so über dem Ganzen der Aus-
stellung „Frauenluxus von einst" lag. Denn es war
faktisch nicht der Eindruck unverhältnismäßig hoher
Materialwerte, der die Exklusivität von altem
Frauenschmuck bewirkte, weder ein gewollter noch
ein unwillkürlicher Prunk mit kostbarem Material
— abgesehen von besonderen, durch den Zweck
bestimmten Gegenständen—, sondern weitaus mehr
der Prunk der Arbeit, die künstlerische oder, wenn
man will, gewerbliche Pracht. Die gestrickte Perlen-
tasche etwa setzt eine ungleich höhere Geschmacks-
kultur ihrer Trägerin voraus wie die reichste Panzer-
tasche, selbst wenn letztere von Gold ist.

Die Goldschmiede- und Iuwelierkunst der
Neuzeit, d. h. seit den Tagen der Gotik und Re-
naissance, ist bezeichnet durch die Kleinarbeit. Die
Techniken, die das schärfste Auge und das gedul-
digste Verweilen am Detail verlangen, Email und
Filigran, stehen im je. Jahrhundert obenan. Die
Bewertung des Edelsteines um seiner Leuchtkraft
und Fassung willen ist bekanntlich eine Errungen-

schaft der italienischen Renaissance. Das \6. und
1.7. Jahrhundert bevorzugt den wertvoll gefaßten
Stein und die kleine perle. Brillanten und Rubine
stehen für den vornehmen Damenschmuck in erster
Reihe. Nicht die in die Augen fallende Wirkung
bestimmt den Eindruck, neben der Freude am fein-
gearbeiteten Dekor kommt selbst das Gegenständ-
liche der Darstellung noch zur Geltung. Erft die
Blütezeit des Barocks faßt den Begriff des Schmuck-
zweckes eindeutiger und erweitert damit die Mate-
rialmöglichkeiten. Die größeren Formen nehmen
wieder den seit dem Mittelalter zurückgesetzten
Halbedelstein auf, die Perlschale gibt ein gewünschtes
Pendant zum reichlicher verarbeiteten Silber, die
Schmuckkette wird schwerer im Umfang und akzen-
tuierter in der Gliederung. Das Repräsentative
liegt mehr im Gesarnteindruck, in einer malerischen
Abtönung oder einer pompösen Forrnensprache. Der
Steckschmuck auf dem Kleide beherrscht die Stil-
tendenz; auch hieraus erklärt sich das wachsen der
Dimensionen in der dunklen Einfassung der Barock-
samte oder dem großgeblümten Muster der Brokate.
Das Schmuckganze auf dem vornehmen Damen-
porträt des \7. und \8. Jahrhunderts ist nicht mehr
das — humanistisch pointierte — Gegenüber von
zartgegliederten Goldketten oder schimmernden
Lmailbändern und der natürlichen Leuchtkraft des
Grundes — sei es die menschliche Baut oder der
selbst bei dunklen Renaissancestoffen farbenstarke
Reflex, dieses stets empfundene Gleichgewicht
zweier werte. Vielmehr die Steigerung im Aus-
druck, die Zusammenfassung malerischer Effekte auf
einen Punkt, wie bei dem barocken Steinschmuck
auf der Prunkrobe oder ein stark vorgetragener
Kontrapoft, der schwere Brustschmuck in Perlen
und Diamanten auf dem Dekollete.

Das deutsche Rokoko ist in der Schmuckwelt, seinem
Sinne nach, die Vorempfindung unserer modernen
Auffassung von gutem künstlerischen Schmuck. In-
sofern, als im Damenschmuck des Rokoko zum ersten-
mal der verborgene Schatz der graziösen Zufällig-
keit gehoben wird. Die gewollte Festpracht der
 
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