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Zum SS jährigen Jubiläum -er partenkirchener

Schnitzschule.

von Mexan-er Heilmejer.

Die Gründung der Partenkirchener Schnitzschule
(*. Febr. *869) entsprach einem lebendigen Be-
dürfnisse. Sie erfolgte in der Absicht, für die damals
sehr arme Bevölkerung des werdenfelser Landes
eine Heimindustrie ins Leben zu rufen und ihr
dadurch bessere Lrwerbsmöglichkeiten zu verschaffen.
Ihr Gründer, Kunstmaler Michael Sachs wirkte
als Vorstand von *869 bis *880. In den folgen-
den drei Jahren leitete sie Bildhauer Hans Vor-
dermayer und seit *883 bis heute Direktor Anton
Kiendl. In den ersten Jahren nach ihrer Grün-
dung hatte die Schule manche Schwierigkeiten
zu überwinden und manche Wandlungen durch-
zumachen, bis sie eingewachsen und sich langsam
und allmählich bis zu ihrer heutigen Stellung
als angesehene Fachschule für Holzschnitzerei ent-
wickeln konnte.

Als eine Fachschule mit werkstattbetrieb will sie
den Kunstgewerbetreibenden nicht nur die Mög-
lichkeit in der Erwerbung zeichnerischer Fertig-
keiten und anderer Kenntnisse für ihren späteren
Beruf bieten, sondern sie auch wirklich für ihren
gewerblichen Beruf praktisch ausbilden; daher mit
dem Unterricht im Zeichnen, Entwerfen, Modellieren
gleichzeitig die praktische Ausbildung in den Lehr-
werkstätten für Holzbildhauer und Kunstschreiner
unberechenbarer Vorteil für den Schüler bringt,
der somit von Anfang an im werkstattbetrieb steht.
Sowohl die zeichnerische wie die bildnerische Aus-
bildung strebt danach, diese Wechselbeziehungen
zwischen der bloßen Anschauung und Auffassung
und der praktischen Betätigung zu pflegen, indem
der Schüler angehalten wird u. a. auch nach ge-
schnitzten Modellen zu zeichnen. Zweifellos wird
damit gleich ein bestimmtes Empfinden für Art,
Wesen und Stil der Holzschnitzerei entwickelt.
In diesem Sinne erweist sich auch das Modellieren
als ein elementares Hilfsmittel zum Unterweisen
im Formlesen und Formdarstellen. Gleichzeitig
dient es dem Studium nach der Natur, um aus
dieser neue Kunstformen herauszuholen.

Das Linear- und Architekturzeichnen, sonst oft
nach einer bloßen schematischen Methode an der
Hand papierener Vorlagen gehandhabt, wird hier
nach Möglichkeit an anschaulichen Objekten ge-
übt. So wurde z. B. Fortgeschritteneren die Auf-
gabe gestellt, die Stiege im Schulgebäude maßstäb-

lich aufzunehmen und davon eine genaue Dar-
stellung von Konstruktion und Form zu geben.
Ebenso verfährt die Anleitung in der Fachklasse
für Holzschnitzerei. Als Vorlagen dienen die besten
Schnitzwerke alter Kunst. In lebendiger weise
knüpft der Unterricht an im Gebirge noch lebendige
Traditionen aus der Rokoko- und Empirezeit an,
z. B. gleich in der Anfertigung der ortsüblichen
Marterln und Grabkreuze aus Lärchenholz. Ferner
äußert sich ein sehr beachtenswerter Zug in der
pflege heimischer Tradition in der Verwendung
und Bearbeitung bodenständiger Hölzer wie Lärche,
Linde, Buche, Erle, Eiche, Nußbaum, Birn- und
Apfelbaumholz.

wie gleichsam spielend Überkommenes gepflegt
und weiterentwickelt wird, zeigt sich auch in der
hier beliebten Schneeplastik bei winterlichen Festen,
die, nicht selten monumentale Formen annimmt.
Die Gelegenheit, das erworbene Können gleich
immer im Dienste praktischer Aufgaben anzuwenden,
ergibt sich reichlich dadurch, daß der Schule ein
Geschäftsbetrieb angegliedert ist.

Eine Spezialität der partenkirchener Schnitzschule
bildet die Herstellung geschnitzter Möbel, Erstellung
von Einrichtung getäfelter Stuben und jeglicher
Art von Hausrat. Sie werden in allen Holzarten
hergestellt und herrscht immer darnach rege Nach-
frage.

Diese Arbeit vereinigt in geradezu vorbildlicher
weise Entwerfer, Kunstschreiner und Holzschnitzer
zu gemeinsamer Planung und Tätigkeit. Der
Schüler wächst somit von Aufgabe zu Aufgabe
immer mehr in sein Stoffgebiet hinein und lernt
stufenweise jeden Arbeitsgang bewältigen. Durch
dies verständnisvolle Zusammenarbeiten ausge-
zeichneter Lehrkräfte des Direktors Anton Kiendl
als Bildhauer, Fachlehrer für Zeichnen und Archi-
tektur Otto Blümel, Fachlehrer für Holzschnitzen
Karl Vogt und Fachlehrer für Kunstschreinerei
Alois Huber mit begabten Schülern und Gehilfen
erhält einen immer regen Geist des Strebens
und des Fortschritts, der sich auch immer in höchst
erfreulicher weise in den Richtungen der Schule
auswirkt. Schon viele gute Meister und selbst
Künstler von Ruf haben hier ihre erste Ausbildung
genossen. Da sich auch ortsansässige Kunstge-
werbetreibende dort gerne Rats und Hilfe erholen,

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