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I

JOSEF GANGL

Wachsarbeit

JOSEF GANGL

Ein Junitag in Altbayern! Wer kennt ihn
' nicht. Tiefblauen Himmel und vollrau-
/sehende Kastanienbäume und irgendwo
in der Tiefe verdämmerndes Gebirg. Weiße
Häuser und, wenn's ganz richtig ist — eine
Blechmusik zum Sonntagnachmittag.

Warum ich im Durchblättern der Gangi-
schen Bilder an all das denke, liegt nicht gar
weit. Denn Josef Gangl ist doch so eindeutig
ein Bayernkind, daß er den Volkston kaum je
von seinem Schaffen abstreift. Ganz gleich, ob
er eine seiner ernsten und schwer geschaffenen
Plaketten modelliert hat oder ob er ganz seiner
dekorativen Geschicklichkeit Ziel und Willen
schenkt. Bayerische Stimmung bleibt immer
und vor allem eins, das er mit dem Größten
dieser Spezies der Münchener Künstler, mit
Wackerle, gemein hat: der ausgesprochen ek-
lektische Zug zum Artigen.
Der Wadere-Schüler Gangl hat vor einigen

Jahren zum 50. Geburtstag Heinrich Waderes
ein lustig Werk konzipiert: maskierte Kinder
trugen einen Geschenkbaum aus lauter Zinn-
medaillen mit allerlei weiser und schnurriger
Symbolik. Der gefleckte Sockelmarmor glänzt
mit Bronze und Zinn in einer richtigen Gold-
schmiedbuntheit zusammen: ein Schaustück.
Alles einzelne dekorativ durchgetüftelt, eine
sprudelnde Laune von zierhaft Nettem, Gefäl-
ligem, Leichtem. Oberbayerischer Humor —
der alte Maibaum wird nicht weit weg gewesen
sein, als Gangl den Gedanken zu dem Werke
faßte. Das ganze schließlich herausgewachsen
aus dem Formkreis der Meister Modelstecher,
wie sie vor hundert Jahren für die Lebzelter
und Wachszieher arbeiteten und — das sei ihm
zu Ehren gesagt — nicht weniger reich an
Form und Einfallsgabe. Letzteres heute nicht
gar häufig, denn — wenn sonst wo vorhanden
— dann pretenziös, voll breitspuriger Gelehrt-

Kunst und Handwerk. Jahrg. 1920. 2. Vierteljahrsheft

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