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Main, der eine gewaltige Weintraube empor-
hält, hier als oberer Abschluß der Inschrift
ein Segelschiff, sehr anmutig von zwei Del-
phinen eingefaßt, denen unten in zarter An-
spielung Füllhörner entsprechen.

Das St. Barbararelief (S. 83) aus rotem
Marmor, von 1,20 m Höhe, das in Tracht,
Umrahmung und der ganzen Aufmachung be-
sonders ausgeprägt spätgotisch wirkt, dabei
in der Formengebung der ebenso individuellen
Hände wie Gesichtszüge das gründlichste Natur-
studium verrät, gehört Schloß Mainberg an.
Ebenso der Kaminschmuck, der Drachentöter
Georg (S. 84) aus gleichem Material, von 80 cm
Höhe, der uns des Künstlers dekorative Wucht
und Kraft besonders markant vor Augen führt.

Auf S. 88 ist das Grabmal der Familie
Schiestl in Sulzbach in der Oberpfalz abge-
bildet. Es ist in schweren dorisierenden Formen
aus Muschelkalkstein erbaut, enthält außer
der abschließenden Vase als einzigen Schmuck
das Brustbild des „Erbärmde-Christus" in der
Mitte.

Zum Schluß (S. 75, 89—91) zeigt sich uns
der Künstler noch einmal vielleicht von seiner
glücklichsten, jedenfalls von seiner allerliebens-
würdigsten Seite in den 1,20 m hohen Schluß-
steinen aus Muschelkalk für die Nürnberger
Sprengstoffabrik. Er offenbart hier, daß er
nicht nur kirchlich-religiösen Aufgaben ge-
wachsen ist, sondern daß er auch sonst inhalt-
lichen Anforderungen zu genügen, sie restlos
in Form und Flächenschmuck umzusetzen,

die er in eminent künstlerischer Weise zu alle-
gorisieren und zu symbolisieren versteht. Was
sind das für prächtige Kinderkörper! — Wie
gesund, wie rein, wie stark! — Wie innig ge-
fühlt, wie glücklich bewegt, wie erstaunlich
geschickt dem Raum angepaßt, wie reizvoll
in Bekleidung und Nacktheit, in Ruhe und
Bewegung, paarweise kontrastiert! — Wie
sprechend sind aber auch die Elemente charak-
terisiert! — Das wirkt alles so einfach, selbst-
verständlich und ist dabei doch so treffend,
schlagend. Gegenüber der abstrakten ,,1'art-
pour-l'art"-Kunst dieses fröhliche Fabulieren,
aber keine Spur etwa von des Gedankens
Blässe, sondern alles in blutwarmer Natur-
form. Und bei aller drängenden Lebensfülle
wiederum welch straff bändigender Wille zum
Stil! — Fürwahr, diese Figuren sind köstlich.
Man kann und muß sie immer wieder und
wieder betrachten und stets gefällt das neu
Betrachtete noch besser als die übrigen, und
man wäre in Verlegenheit, welchem man die
Palme reichen sollte! —

So scheiden wir von Heilmaier in dem be-
ruhigenden und tröstenden Bewußtsein, daß
es wahrhaftig noch deutsche Meister gibt und
daß ein Volk, das solche Künstler hervorbringt,
so rein, so stark, so innig, noch nicht als ab-
gestorben und untergangsreif zu betrachten
ist, sondern trotz aller Not der Gegenwartsich
wieder hindurchringen muß und wird zu neuer
Kraft und Herrlichkeit und Freiheit.

Friedrich Haack.

DILETTANTEN VON EHEMALS UND HEUTE

Die Bezeichnung „weibliche Handarbei-
ten", „Handarbeiten" schlechtweg —
ursprünglich ein weitumfassender Be-
griff —, deckt jetzt nur ein kleines Gebiet tex-
tiler Erzeugnisse, die nicht gerade einen Hoch-
stand unseres Geschmacks beweisen, so sehr
auch Kunst- und Modezeitschriften sich mühen,
gute Vorlagen dafür herauszubringen. Trotz-
dem oder vielleicht gerade deshalb?

Es scheint der Mühe wert, einmal zu unter-
suchen, warum uns heute, die ebenfalls von
Dilettantenhänden stammenden Handarbeiten
unserer Urgroßmütter als hohe Kunstwerke er-

scheinen, im Vergleich mit dem mittleren und
sogar oberen Niveau dessen, was von dieser
Gattung heute entsteht.

So bequem wie heute wurde es den Frauen
damals nicht gemacht, sich Muster und Ma-
terial zur Arbeit zu verschaffen; dafür hatten
sie eine durch Generationen vererbte Kenntnis
aller einschlägigen Techniken, und bildeten so,
aus der Technik heraus, die sie bis in ihre
letzten Feinheiten beherrschten, die Ziergegen-
stände nach Mustern, die auch schon im Haus
gebräuchlich waren. Weil aber die vollständige
Beherrschung einer Technik dem Ausführenden

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