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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

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Lill, Georg: Eugen Mayer-Fassold
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0005
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3 52,

EUGEN MAYER-FASSOLD

Von GEORG LILL

Die allgemeine Erschütterung, die unser ganzes
europäisches Kulturleben seit ungefähr einer Gene-
ration erfaßt oder eigentlich wieder erfaßt hat
— denn diese seismographische Bewegung wieder-
holt sich seit der Reformation mit einer fast be-
rechenbaren Regelmäßigkeit — zeigte ihren größten
Kurvenausschlag vor allem in der Kunst, wenig-
stens vor dem Weltkrieg, nach ihm allerdings in
der politisch-staatlichen Sphäre. Was vorher viele
nicht glauben wollten, daß diese philosophischen,
ethischen, religiösen, geistesgeschichtlichen, so-
zialen und andere Reform- und Revolutionsbestre-
hungen aufs innigste in tiefstem Grunde mit den
künstlerischen und politischen neuen Ideen zu-
sammenhängen, das ging ihnen jetzt nur zu über-
zeugend ein, wo häufig sich diese Bewegungen in
einer Person konzentrierten und sich doch wenig-
stens alle zu einer, wenn auch chaotischen, doch
kompakten Masse zusammenschlössen. Die ge-
meinsame Grundlage war: Los von Tradition und
Uberlieferung, los von Historischem zu dem Neuen,
um seiner selbst willen, zu einem andern Empfinden,
zu einer andern Formung, zu einer andern geistigen
Auffassung. Viele haben sich von dem explosiven
Auftreten dieser neuen Richtungen täuschen und
erschrecken lassen. Die Explosivität war häufig
mehr Rauch und theatralische Geste als Überschuß
an Vitalität. Vieles ist ins Leere verpufft, manches
ist aber geblieben und wird in seiner Bedeutung
um so mehr geschätzt werden, je stärker der an-
fängliche Überschwang in selbstsichere Beruhigung
übergeht. Nichts wäre verfehlter, als nur aus be-
wußter Reaktion heraus alles Neue und Neuerungs-
strebige ablehnen zu wollen. Das über uns tobende
Gewitter der letzten Jahre hat mehr wie einen
dürren Baum gefällt, mehr wie ein versandetes
Bett im Strom der Entwicklung endgültig zuge-
schüttet. Und nicht jeder, der ein Neues auf irgend-

einem Gebiet erstrebt, ist deswegen schon Nihilist
und Anarchist, wie sich das in einem furchtsamen
Hirn spiegeln mag, sondern gar mancher arbeitet
mit an einem Wiederaufbau, der zwar nicht sofort,
aber in stetiger Folge eine neue Welt erstehen
lassen kann.

Die Fluten der neuen Kunstbewegung ebben
zurück. Viel Schlamm und Unrat — Mitläufer,
Schreier, Konjunkturpolitiker — bleiben am
Strande liegen. Um so schärfer sehen wir jetzt bei
beginnender Klärung, was an wertvollen Kräften
wirklich vorhanden ist. Die Malerei wird am meisten
Strandgut abwerfen. Die Plastik um so weniger,
als die strengen Gesetze der Formung sie am wenig-
sten zu Extravaganzen unkorrigierbarer Art ver-
leitet hat. In Deutschland waren die Führer einer
neuen Plastik der eklektische, spielerische Exotiker
Hötger, der den geschlossenen monumentalen Block
liebenden Barlach, der exstatisch sensitive Lehm-
bruck und der ans Kubistische herangehende
Edwin Scharff. Alle vier Künstler von einer Be-
deutung, daß sie nicht mit der Aktualität der
neuen Mode verschwinden werden. Eine Reihe
jüngerer Künstler hat sich ihnen angeschlossen, und
unter unter ihnen tritt in München der noch junge
Mayer-Fassold bei Ausstellungen und Wettbewerben
gerade in letzter Zeit in den Vordergrund.

Als Sohn eines Steinbildhauers wurde Eugen
Mayer-Fassold im Jahre 1893 in München ge-
boren. Bei Prof. Wadere und Berndl an der
Münchener Kunstgewerbeschule genoß er den ersten
künstlerischen Unterricht und ging dann an die
Akademie zu Prof. H. Hahn über, der für seine
künstlerische Auffassung von Bedeutung wurde.
Der Krieg unterbrach auch bei ihm wie bei so
vielen andern den Bildungsgang. Um so schneller
kam der Erfolg und die Anerkennung, als er seit
1919 aus dem Felde zurückgekehrt war. Gleich

Kunst und Handwerk. Jahrg. 1921. 1. Vierteljahrsheft

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