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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

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Mössel, Julius: Kunstende?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0007
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KUNSTENDE?

Von JULIUS MÖSSEL

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, den
„Geist", der über allen Wassern schwebt, der nur
von des Gedankens Blässe angehaucht ist, der
tätig sein will, ohne tätig zu sein, zu bekämpfen,
wo es möglich ist. Dankbar ist diese Aufgabe nicht,
Vorteile bringt sie überhaupt nicht. Nehme ich
irgendeine Zeitschrift in die Hand, so stoße ich
auf Leicht- und Schwerathletik kritischer Schön-
geister. Ganz selten hört man einmal die Stimme
eines Arbeitenden, Schaffenden. Zuletzt erfreute
mich innig das Wort Fritz Erlers kontra Eßwein.
Rein als Symptom. Inwieweit Erler recht hat,
entzieht sich meiner Kenntnis.
Jedenfalls ging's den anderen auch
so wie mir. — Vor kurzem hat
nun Worringer, der im Auftrage
der Goethegesellschaft in Jaffes
Lesestube sprach, den Expres-
sionismus zu Tode gesalbt. Ich
entnehme das und das Folgende
dem Referate der „Neuesten
Nachrichten". FürWorringerhört
die elementare „Reichsunmittel-
barkeit" der Kunst im Kultur-
haushalt der Menschheit mit dem
Barock auf. Von da an verliert
sie ihren breiten soziologischen
Untergrund und wird Kultur-
ornament, mehr und mehr Aus-
stellungsobjekt, Museumsange-
legenheiten, bestenfalls „herr-
liche Belanglosigkeiten". Die
Kunst ist nicht mehr Substanz
der Kultur, sie ist Essenz gewor-
den: sublimes Verdunstungs-
ergebnis. Die Kunst als Wand-
schmuck ist letztes Intimitäts-
stadium dieser abgeschlossenen
Entwicklung. Diese Intimität
aber bedurfte größter verfeinerter
Intensität: — Impressionismus.
An diesem Endpunkte setzt die
Revolte des Expressionismus
ein: ein gellender Schrei nach
dem Elementaren — dem Un-
erreichbaren. Kraftausdruck?
Nein, Exaltation des Sterbenden.
Daß der Expressionismus, der
ganz explosiv sein wollte, sich
in die äußeren Mittel der Inti-

mitätskunst hineinbequemte, daß auch er „Rahmen-
bilder" machte, zeugt schon von seiner angeborenen
Unzulänglichkeit. Er blieb von Anfang an bei
kühnstem Wollen Fiktion und war höchstens bis-
weilen groß in seinergequälten Vergeblichkeit. Manie-
rismus heißt sein Ende, Spiel mit leeren Formeln,
Wertanarchismus. Es sei tief begründet, daß noch
nie so viel über Kunst geredet und geschrieben wurde
als heute, und zwar zum Teil klug, ei kennend, ja
schöpferisch. Der bildmalende Expressionismus
wollte die Sinnlichkeit vergeistigen und blieb ein
Versuch mit untauglichen Mitteln am untaug-

E. MAYER-FASSOLD, München

Gips, lebensgroß. Secession 1920

Tänzerinnen

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