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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

DOI Artikel:
Mössel, Julius: Kunstende?
DOI Artikel:
Hartmann, Paul: Zur Wiederbelebung der Bildhauerei in Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0011
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Es hat Worringer offenbar verletzt, da er doch
die Sache der Kunst zu der seinigen gemacht hat,
plötzlich mit seiner Idee allein sich wo verstiegen
zu haben; daß die Kunst zurückblieb, von der er
erwartete, daß sie der leisesten Regung des Traumes
und des Gedankens überall hin folgen kann.

Ich kenne die Werke dieses Denkers nicht weiter;
ich knüpfe nur an das Referat in der Zeitung. Ich
weiß insbesondere nicht, wie sich Worringer den
verschiedenen Stadien der letzten Ismen gegen-
über verhielt. Er hatte recht, den Expressionismus
zu Tode zu salben. Aber das war kein Kunst-

stück, denn jeder halbwegs honette Kerl konnte
das nach einigem Zusehen bewerkstelligen. Traurig
an der Sache ist, daß ein Ding auch heute nur
leben und sterben kann, wenn ein nicht zur Sache
gehöriger Priester es gesalbt hat.

Mich reizt die glitzernde Dialektik, die noch
stark im Referat der Zeitung durchfärbt, in der
ich aber nur Selbstzweck sehe. Also ein Ding,
das sich von unseren Belangen entfernt hat.
Den Denker kann niemand hindern — doch man
kann ihn verlassen. Gehen wir lieber mit Leonardo
da Vinci als mit Aretino und seinen Nachfolgern.

ZUR WIEDERBELEBUNG DER BILDHAUEREI IN HOLZ

Von PAUL HARTMANN, Bildhauer

„Das Problem der Form" von A. Hilde-
brand gipfelt mit seinen Ausführungen in der
Hauptsache über das Wesen der Bildhauerei
in Stein.

Die vorliegende Schrift dagegen soll insbeson-
dere dazu beitragen, die Bildhauerei in Holz
wieder neu zu beleben und die Aufmerksamkeit
der weitesten Kreise auf diese schöne Kunst
hinlenken.

Die Fertigkeit, Bildwerke aus dem Holz heraus-
zuarbeiten, war schon zu allen Zeiten eine der vor-
nehmsten und willkommendsten Aufgaben aller
— Kunst liebenden Völker. Daß es dabei einzelne
der intellektuellen Völker zu besonders hervor-
ragenden künstlerischen Leistungen gebracht haben,
das beweisen uns die heute noch in den Samm-
lungen für Altertümer vorhandenen Arbeiten der
alten Ägypter, aus der Zeit der 11. Dynastie,
etwa um 2500 v. Chr. — Hohes technisches Können
sowie genial künstlerisches Auffassungsvermögen
sind die Grundvorzüge, welche diese Arbeiten zu
angesehenen Kunstwerken erhoben haben.

Wenn man weiß, wie lange es hergeht, bis in
stetig langsamer Entwicklung ein solcher Stand
erreicht wird, so kann man ruhig behaupten, daß
die Anfänge der Holzbildkunst wohl bis in die
dunkelsten Vorzeiten zurückliegen müssen.

Aber nicht allzulange sollte sich diese Kunst
ihres ehedem so hochstehenden Einflusses er-
freuen, denn die Griechen, welche alsbald die
Führung in der Kunst von den Ägyptern über-
nahmen, haben bei ihrer Vorliebe für Marmor-
und Bronzeplastik dieselbe in Holz alsbald wieder
vernachlässigt, und die späteren Völker, die
Römer usw., haben Arbeiten in Holz überhaupt
nicht mehr oder nur sehr wendig ausgeführt.

Bis ins 12. und 13. Jahrhundert herein läßt sich
dieser stagnierende Stillstand, dieser bedauerliche
Niedergang der Holzarbeiten mit aller Deutlich-
keit wahrnehmen. Um so mehr aber hat man jetzt
im Mittelalter wieder angefangen, und zwar ganz
besonders in Deutschland, in Holz zu arbeiten,
und diese Kunst hat zu jener Zeit einen Stand
und eine Blüte erreicht, wie eine solche bis auf den
heutigen Tag nicht wieder zu verzeichnen war.

Die Arbeiten aus jenen Tagen sind es auch,
deren Anblick uns heute noch mit staunender Be-
wunderung erfüllt.

Welch eine Summe der edelsten Empfindungen
ist doch in diesen Schöpfungen niedergelegt, welch
einen Begriff von überschäumender Kraft und
vornehmer Größe enthüllen uns doch die unsterb-
lichen Werke eines Veit Stoß, Riemenschneider,
Brüggemann, Pacher usw., wie ergreifend ist doch
die schlichte Frömmigkeit, die uns anspricht aus
den Werken der damaligen christlichen Kunst,
und endlich welch ein zarter Hauch elegischer
Stimmung umweht doch die Altäre der deutschen
Renaissance, der früheren und späteren Gotik! —

Wessen aber ist der Geist, der uns empfängt
wenn wir nun die Arbeiten der Folgezeit, des
Zeitalters des Barocks betrachten? —

Von all dieser Kraft und Schönheit, dem emi-
nenten Kunstsinn, wie ihn unsere Vorfahren ent-
falteten, ist da nichts mehr zu sehen. (Die hervor-
ragenden Arbeiten natürlich ausgenommen.)

Die Holzplastik hat jetzt überhaupt aufgehört
ihren, vordem so hoch stehenden Einfluß auf die
Kunstrichtung weiterhin auszuüben.

Man fing jetzt an, die Innenräume der Staats-
und Wohnbauten, Schlösser, Kirchen usw. mit
Stuck- und Mörtelverzierungen, mit Plastiken, die

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