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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

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Fischer, J. L.: Publizistik und Kunst
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Wolf, Georg Jacob: Tagung des deutschen Werkbundes in München: (11.-13. Mai 1921)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0029
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den Fachpresse. Die Publizistik tritt also zu-
nächst an die Stelle der, namentlich in der Re-
naissance so hochgebildeten und von feinstem
Geschmack geleiteten Bestellermäzene, die durch
die Art des Auftrags und die Wahl des Künst-
lers die aus der Volksgemeinschaft keimende
und gesellschaftsbildende Kraft der Kunst repräsen-
tierten: der Sache nach die idealste Form der
»Kunstkritik". In allem völlig unbefangen und
voraussetzungslos, kannten jene auftraggebenden-
Mäzene nur eine Bindung, aber diese um so stren-
ger; den jeweils besten ihnen erreichbaren Künstler,
die ethisch ehrlichste und technisch reifste Qualität,
heranzuziehen. Auch für die moderne Publizistik
gibt es meines Erachtens kein anderes Prinzip als
dieses. Aber völlig in die Tat umgesetzt bedeutet
es eine fast völlige Revolution im Wesen der
Kunstkritik. Von ihr verlangt man „Objektivität",
das ist nicht etwa Objektivierung des künstleri-
schen Eindrucks, der Rezeption, sondern mechani-
stische Objektivität, die mit der Kühle des exakten
Forschers in das strahlende Sonnenland der Kunst
eintreten soll. Als ob dies überhaupt möglich oder
auch nur wünschenswert wäre! Objektiv kann die
Publizistik, überhaupt der Mensch nur gegenüber
der Qualität als gleichmäßigem Grundfaktor alles
künstlerischen Schaffens sein, nicht aber sog.
Stilen und Richtungen, die stets Geheimnis seeli-
schen Geschehens sind, unkontrollierbar, unbestimm-
bar, „unobjektivierbar".

Ins Praktische übersetzt, hat die Publizistik die
Pflicht, alle Qualität vor die Debatte der Masse

zu ziehen, nicht objektiv, sondern erfüllt von dem
freudigen Bewußtsein, eine große Pflicht getan zu
haben. Daß dies um so mehr in solchen Fällen
gilt, in denen umstreitbare oder umstrittene For-
men und Kräfte sich regen, bedarf keines Be-
weises. „Stile" kommen und vergehen, entwickeln
sich oder lösen sich ab. Das Endurteil über sie
fällt nicht die Publizistik, sondern die dem Kunst-
werk innewohnende ästhetische Urkraft, die Jahre
und Jahrzehnte vielleicht nicht in ihrer ganzen
Klarheit erkennbar geworden ist. An alle Werke
der Kunst, mag es ein Gemälde oder eine Sym-
phonie sein, ein Teppich oder ein Drama, darf die
Publizistik nur eine Bindung und Voraussetzung
herantragen, technische Qualität und die Wahr-
haftigkeit des Kunstwollens. Die Formen, in denen
sich dieser künstlerisch seelische Prozeß vollzieht,
hat sie vor das Forum der Volksgemeinschaft, vor
die sichtende und richtende Zeit zu bringen, und
zwar nicht mechanisch objektiv, sondern mit jener
inneren Teilnahme und ästhetischen Freude, die einst
dieauftraggebendenMäzene.jene großen Förderer und
„Kritiker", der Kunst entgegengebracht haben.

Auch Fachzeitschriften über Kunst und Kunst-
gewerbe gehören zur Publizistik. Sie dürfen keinen
Sondergruppen dienen, sondern dem Ganzen, dem
Großen, der ehrlich strebenden Qualität, mag diese
auch noch so verblüffende Formen für ihr Wollen
gebären: Strenge, wenn mangelndes Können durch
„großes Wollen" ersetzt ist, offenes Herz für alle
ringenden Kräfte, für alle Qualität, für die Jungen,
für den Fortschritt. . . .

TAGUNG DES DEUTSCHEN WERKBUNDES IN MÜNCHEN

(11.—13. Mai 1921)
Von Dr. GEORG JAKOB WOLF, D. W. B.

Vor dreizehn Jahren wurde nach einer Vorbe-
sprechung berufener Männer und Frauen der
Deutsche Werkbund in München gegründet. Un-
vergeßlich wird jedem, der sie miterlebte, die
Gründungssitzung bleiben — droben in einem fest-
lichen Raum auf dem Ausstellungsgelände, dessen
Hallen und Gebäulichkeiten damals — 1908 —
gerade siegreich emporgestiegen waren, fand sie
statt. Wie ging es da in jungem, tatenfrohem
Drängen und Stürmen, im Planen und im Aus-
spannen eines beinahe unerschöpflichen Programms
tatenlustig durch die Schar! Die Meinungen der
Geister platzten aufeinander, Begeisterung war

allerwege, erfrischender Wortkampf setzte ein —
etwas Großes kündigte sich an.

In der Tat hat sich der „Deutsche Werkbund",
dessen geschäftliche Leitung auf dem Umweg über
Hellerau sich längst in Berlin niedergelassen hat,
inzwischen zu einer Macht entwickelt, die im Ge-
triebe des deutschen Kunstgewerbes, insonderheit
im Spiel der Wechselwirkungen von Industrie und
Kunst, ausschlaggebende Bedeutung gewonnen hat.
Dem Wahlspruch: Veredelung der gewerblichen
Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie
und Handwerk (später fand man dafür die knappe
Formel „Durchgeistigung der deutschen Arbeit")

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