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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob: Glaspalast 1921, [1]: allgemeines
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0045
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GLASPALAST 1921

I. ALLGEMEINES

Einsichtige Kunstbetrachter und Kunstbewerter
haben es längst aufgegeben, von den Ausstellungen
im Glaspalast zu erwarten oder zu hoffen, daß sie
ein klares Abbild des Standes der Münchener Kunst
geben. Man kann seit langem wahrnehmen, daß
eine ganze Reihe von Künstlern, deren Schaffen
für die Bewertung der künstlerischen Arbeit Mün-
chens entscheidend ist, darauf verzichtet, im Glas-
palast auszustellen, oder daß sie sich damit be-
gnügt, durch Abgabe einer ziemlich belanglosen
künstlerischen Visitenkarte so etwas wie einen
Höflichkeitsakt zu betätigen. Bezeichnend in
dieser Hinsicht ist, daß der Präsident der Künstler-
genossenschaft in diesem Jahr überhaupt nicht aus-
stellt, während sich der Präsident der Sezession
mit dem Vorweis einer einzigen nicht eben be-
trächtlichen Studie begnügt. Die sog. „Arrivierten"
pflegen ihr Ausbleiben damit zu begründen, daß
sie „den Jüngeren" den Platz nicht wegnehmen,
die Möglichkeit des Ausstellens — und damit zu-
gleich des Verkaufens — ihrer Bilder nicht schmä-
lern wollen. Sie stellen sich also auf einen ausge-
sprochen sozialen und wirtschaftlichen Stand-
punkt und kennzeichnen damit aufs eindrücklichste
das geistige Niveau unserer heutigen Kunst-
ausstellungen. Es sind Verkaufsgelegenheiten.
Günstigstenfalls Propagandavorwände, insofern sie
die Möglichkeit bieten sollen, sich bekannt zu
machen. So nieder dürfte das Ziel der Kunst-
ausstellungen nicht gesteckt werden. Einst nahm
man es höher und weiter. Allerdings war dies
zu einer Zeit, als Ausstellungen noch nicht etwas
Alljährliches waren, sondern noch etwas Außer-
ordentliches, Festliches, Feierliches bedeuteten,

als man sich noch bewußt war, daß das Aus-
stellen eines Kunstwerkes mehr sein und mehr
sagen müsse, als die Möglichkeit eines Verkaufs zu
suchen. Ich brauche jene Kunstfreunde, die sich
mit der Münchener Malereigeschichte des 19. Jahr-
hunderts vertraut gemacht haben, nur daran zu
erinnern, was für ihre Zeit die sog. „Historische
Ausstellung" des Jahres 1858, was im besonderen
die Internationale Ausstellung von 1869, die die
beziehungsreiche Begegnung zwischen Courbet und
Leibi bewirkte, bedeutete! Und auch wir Jüngeren
waren enthusiasmiert, als zu Beginn der 1890er
Jahre die „Sezession" ihre erste Ausstellung an
der Prinzregentenstraße auftat, und in noch näherer
Vergangenheit sagten uns die Internationalen Aus-
stellungen im Glaspalast, die in vierjährigem Um-
fluß stattfanden, viel Aufschlußreiches, regten zu
Vergleichen an und förderten ganz besonders auch
die Künstler selbst.

Diese Erhebungen sind heute vorbei, und wir
suchen uns mühselig in den weitläufigen, auch in
der Innenraumbildung herzlich unglücklichen Sälen
zusammen, was uns ansprechen und seelisch be-
reichern könnte. Immer wieder meinen wir:
irgendwo oder irgendwie müsse doch in den Sälen
der Malerei so etwas wie eine Entwicklung, eine
Vorwärtsbewegung, ein Aufschwung wahrnehmbar
sein. Aber es ist und bleibt Täuschung. Die Münche-
ner Malerei karrt auf sandigen Wegen mühsam dahin.
Es berührt fast wehmütig, wenn man durch die
Kollektivausstellungen eines Defregger, Mathias
Schmid, Hofelich in eine Epoche der Münchener
Malerei hineingezogen wird, die längst abgelaufen
ist, die aber an positiven Werten unbedingt mehr

Kunst und Handwerk. Jahrg. 1921. 3. Vierteljahrsheft

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