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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

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Thiele, Walther: Alte Techniken, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0078
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von festen Kunden heranzieht und so in der Lage ist, einige
Arbeiterinnen dauernd zu beschäftigen. Die begabte Mei-
sterin wird es verstehen, auch den einfachen Hüten beson-
deren Charakter zu geben, folglich kaufen bei ihr Leute
mit gutem Geschmack. Für die erfindet sie aparte Modelle,
bringt ab und zu eine künstlerische Verzierung an, mischt
unter die Hüte hochwertige Einzelarbeiten, die mit Klei-
dung irgendwie in Verbindung stehen. Sie hat den Vor-
teil, 1. der an ihren Laden gewöhnten Kundschaft und
2. der geschulten Arbeitskräfte, die ihr dauernd zur Ver-
fügung stehen, und muß es verstehen, in geschäftsruhigen
Zeiten die mühsamen Arbeiten machen zu lassen, für die
während des größten Betriebes keine Zeit ist. Fängt sie
mit der künstlerischen Arbeit allein an, ohne den Rück-
halt des Handwerks, so gehört viel mehr Geld und Zeit
dazu, sich durchzusetzen, und an viele Aufgaben kommt
sie überhaupt nicht heran, die ihr in der eigenen Putz-
macherwerkstatt, im lebendigen Verkehr mit ihren Kunden
ganz von selbst entgegenkommen. Bildet sich das Ge-
schäft nach beiden Richtungen gleich stark aus, so bleibt
der Ausweg für das Handwerkliche eine bezahlte Leiterin,
anzustellen, um die Kräfte der Meisterin für die künst-
lerisch hochwertige Arbeit freizumachen. Das wäre die
ideale Lösung, die, sinngemäß abgeändert, auch auf die
anderen Kunsthandwerke anwendbar ist, ideale Lösung des-
halb, weil in der Meisterin sehr viele Eigenschaften ver-
einigt sein müssen, um den großen Ansprüchen an ihre
geistigen und praktischen Fähigkeiten zu genügen. Nicht
sehr häufig wird all dies: künstlerische Begabung, Ausbil-
dung in Handwerk und Kunst, Geschäftstüchtigkeit, Aus-
dauer und zu all dem die nötige körperliche Frische in
einem Menschen vereinigt sein. Leicht aber finden sich
zwei Schwestern oder zwei Freundinnen, deren Eigen-
schaften sich gegenseitig ergänzen, oder die Tochter einer
Durchschnittsputzmacherin tritt nach ihrer Ausbildung in
das Geschäft der Mutter ein, führt es zu der vorhin ge-
schilderten Höhe und hebt damit gleichzeitig ihre soziale
Position auf das Niveau, dem sie ihrer Begabung nach an-
gehört.

Bei jeder Berufsberatung wäre am besten erst zu ver-
suchen, ob sich direkt oder indirekt an Bestehendes an-
knüpfen läßt, um erst bei absolutem Widerwillen oder
fehlenden grundlegenden Bedingungen die jungen Mädchen
auf ein ganz neues Gebiet zu weisen. Man glaubt gar nicht,
wieviel Mühe und Umwege einem Menschen erspart werden,
der, was er als Kind spielend und unbewußt mitgelernt hat,
für seinen späteren Beruf gebrauchen kann. Ein gutes
Beispiel dafür sind die Hausindustrien, die sich durch Jahr-
hunderte in einer Gegend fortpflanzen, und auch auf diese
möchte ich in diesem Zusammenhang die Aufmerksamkeit
lenken. Wer sich der Berufsberatung oder sonst einer
sozialen Tätigkeit widmet, kommt in enge Beziehung zu
allen Bevölkerungsklassen, kann viel wertvolles Alte stützen
helfen, kann verhindern, daß gute Techniken gänzlich ver-
loren gehen, weil die Herstellung auf alte Art heute nicht
mehr lohnt. Kann auch Ausgleiche schaffen durch Kenntnis
von Arbeitswilligen und Nachfrage, kann das Aneinander-
vorbeiarbeiten einzelner Gruppen verhindern. Der Baye-
rische Hausindustrieverband hat eine geschickte und groß-
zügige Organisation geschaffen, die immer noch weiter aus-
gebaut wird. In all jenen Fällen, wo Berufsberatung, Ar-
beitsvermittlung, einschlägige Aufträge an dessen Gebiet
grenzen, wäre es ratsam, sich mit jenen in Verbindung zu
setzen und dessen weitverzweigte Organisation den zu Be-
ratenden nutzbar zu machen.

Ebenso hat der Bayerische Kunstgewerbeverein im Ein-
verständnis mit dem städtischen Arbeitsamt eine Berufs-
beratung für alle kunsthandwerklichen Berufe eingerichtet,
von der das Arbeitsamt in denjenigen Fällen Gebrauch
macht, in denen der Ratsuchende über die rein handwerk-
liche Tätigkeit hinauszukommen wünscht. Diese Einrich-
tung hat den Vorteil, daß dort für jedes Gebiet fertige Ar-
beiten gezeigt werdenkönnen, an denen die Erfordernisse einer
Technik demAnf änger rasch deutlich gemacht werden können;
auch wird sich ein Unklarer leichter entscheiden, wenn er
am Objekt sieht, worauf es bei jedem Handwerk ankommt.

Im Kunstgewerbeverein sind auch für jede Gruppe Merk-
blätter für Berufsberatung zu haben.

ALTE TECHNIKEN

Mitgeteilt von Walter Thiele in Aue

Kunst und W u n d er b ü c h 1 e i n / Darinnen allerhand nützliche Sachen und Kunststücke verfasset
und begriffen: Als VII. Malerbüchlein von allerhand Farben und Schrifften. Jetzunder wieder uffs
newe sehr verbessert, vennehrt auch mit einem nützlichen Register gezieret. Durch BalthasarumSch nur rn
von Leydsi (zerschnitten). Getruckt zu Hanaw/Bey Johann Aubry/ In Verlag Johann Pressen. MDCXLVIII.

Mahlerbüchlein.

An den guthertzigen Lese.

Es pflegen nicht allein die Handwercksleuth / sondern
auch die Gelehrten / als Studenten / Pfarherrn / Praezepto-
res, Teutsche Schulmeister / Bürger in Stätten / Beampte /
ja wol höheres Standts Personen sich bißweilen in der löb-
lichen/schönen und vortrefflichen Kunst des Mahlens / zu
üben / die Zeit und Langeweile damit zu vertreiben / da
dann viel daran gelegen ist / daß man die Farben recht
praepariren und bereiten möge. Wann aber die lieben
Alten sonderlichen Fleiß darauff gelegt / und Ich in meinen
sehr alten Kunst- und Artzneybüchern eine zimliche An-

zahl der praeparirung der Mahler- unnd anderer Farben /
unnd allerhandt Dinten gefunden / als habe Ich diesem
meinem geringen Werklein von solcher Materi ein eygen
Büchlein wollen einverleiben / ungezweiffelter Hoffnung /
es werden ihnen alle Kunstliebende / diesen meinen Fleiß
unnd Auffgewandte Mühe und Arbeit günstig belieben und
gefallen lassen.

Von allerhand rothen Farben. Nimb lauter Wasser
/unnd gieß es auff ungeleschten Kalck / rührs wol unter-
einander / unnd laß gefallen / gieß dann auff Presilien / unnd

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